Forstinger, R.: Die Eisverhältnisse der Südpolargebiete,
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Gletsenereis erst eine beträchtliche Strecke über die Küstenlinie hinaus ins
Meer eintritt, in einigen Fällen 30 bis 50 km weit, so lösen sie sich auch von
seinen Flanken und von seinem Ende los, Anstatt also da zu enden, wo es auf
den Meeresgrund stößt, bewahrt das antarktische Gletschereis seine Eigenschaft
als Gletscher und Eisstrom, auch wenn es viele Kilometer weit in das offene
Meer hinausdringt und dann zu Schelfeis wird.
HL, Das Schelfeis,
Das Schelfeis ist zum größten Teil abgestoßenes oder aufgelöstes Inlandeis.
Zum anderen Teil ist es durch Füllung seichter Meeresteile oder durch Ver-
dickung der Schollen entstanden, Soweit das Schelfeis vom Inlandeis kommt,
besteht es aus dessen. ältesten, innersten Teilen, während das im Meer gebildete
jünger ist. Jedoch haben beide Arten alte Formen, weil sie nur äußeren Kräften
ausgesetzt sind und. jede innere Weiterbildung und Erneuerung fehlt, Daher
sind auch die ältesten Schelfeismassen am meisten durch die Verwitterung um-
geformt, ganz gleich, ob sie aus Scholleneis, das auf dem Meere entstand, oder
aus Eisbergen, die vom Inlandeis losbrachen, bestehen. |
Die Schelfeismassen bestehen aus Bergen und Schollen. Während die Berge
vom Inlandeis losgebrochen sind, also Schnee-Eis sind, entstehen die Schollen
auf dem Meer und sind zunächst Meereis, das aber vielfach so mächtig mit
Schnee belastet und ins Wasser hinabgedrückt wird, so daß es unten fort-
schmilzt. Es bleibt somit nur die belastende Schneemasse übrig, die selbst vereist
and sich von den Bergen nur durch die niedrige, flache Form unterscheidet,
Vom Lande aus strömt das Inlandeis ins Meer, bis es die Kontinentaltafel
unter sich verliert, die geböscht zur Tiefsee abfällt, Hier endigt es mit einer
steilen Mauer. Im Meere davor liegen Eismassen, die aus Bergen und Schollen
bestehen, welche durch Untiefen aufgehalten werden. Es entsteht so eine
Stauung, die auf den Bodenformen des Kontinentalschelfes beruht, Die hier-
durch gebildete Eisart ist das Schelfeis, das also im allgemeinen an seinen ‚Ort
gebannt ist. Es stützt sich auf Untiefen und wird durch sie in seiner Lage
gehalten, Dieses gilt besonders für Berge, die auf Grund liegen und die daher
auch die Schwankungen des Meeresspiegels in den Gezeiten nicht in der Weise
mitmachen wie das Scholleneis. Hierdurch entstehen Bewegungen, indem nämlich
die Eisberge dem Scholleneis. Spalten schlagen und, von den Winden geschoben,
85 vor sich zu Wällen auftürmen. Auf den Spalten gefrieren dann neue Schollen,
80 daß auch auf diese Art wieder Ersatz für die nordwärts abtreibenden Schelf-
eismassen geschaffen wird,
a) Eismauern,
Besonders merkwürdige Eisbildungen in der Antarktis sind die großen Kis-
mauern. Es sind dies riesige Massen. schwimmenden Eises, die etwa 45 m über
den Meeresspiegel hinausragen, also noch 200 bis 300 m unter denselben hinab-
reichen. Ihre Ränder sind gewölbt, eine Tatsache, die auch bei Eisbergen häufig
zu finden ist. Genährt werden diese größtenteils ebenen Eisflächen durch das
vom Kontinent herabströmende Inlandeis und durch die Schneeablagerung. Die
Gletscher bewirken, daß die Eismauern oder Barrieren, wie sie auch genannt
werden, keine toten KEisgebilde sind, sondern an ihrer Steilfront, genau wie das
Inlandeis an den Küsten, Eisberge absetzen.; Durch die Schneeablagerung 1äßt
sich der Beweis führen, daß die Eismauern schwimmen, denn wäre dieses nicht
der Fall, so müßten sich an den vom Meere am weitesten abliegenden Seiten
viel mächtigere Massen anhäufen, als an den an der See liegenden Rändern,
Der einzige Umstand aber, der eine solche Anhäufung von Schnee verhindern
kann, ist eine entsprechende Schmelztätigkeit, die nur dem Wasser unter den
Barrieren zuzuschreiben ist.
Zwei Eismauern sind von besonderer Bedeutung: die Roß-Barriere oder
Große Eismauer und die Weddell- oder Filchner-Barriere. Erstere wurde 1840:
von. James Clark Roß aufgefunden, während die andere 1912 Wilhelm Filchner
entdeckt hat, Die Nordkante der Weddell-Barriere liegt ein wenig nördlicher
als die der Roß-Barriere, Die eine Eismauer bildet ein vollkommenes Gegen-