Kleinere Mitteilungen,
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Die Temperaturverteilung am 13. Oktober 1898 morgens, bei der Lage des
Tiefs eben östlich Nord-Neufundland und vor seiner Entwicklung zum Sturm-
tief, zeigt die beigegebene Tafel 50. Zweierlei springt darin sofort in die Augen:
Die vom Bermudagebiet nordostwärts gerichtete Warmluft-Ausbuchtung und die
Kaltluft-Ausbuchtung nach Südost über Labrador, Zwischen Warmluft und
Kaltluft befindet sich eine Zone starken Temperaturgefälles, in der z. B. die
Differenz zwischen Südostspitze und Nordspitze Neufundlands genau 16° beträgt.
Wesentlich ist, daß dieser thermische Gegensatz nicht bloß einer seichten
Schicht angehört, etwa durch Ausstrahlung über dem Festlande einerseits, durch
Wärmeleitung über dem Meere anderseits in einer schwachbewegten Luftmasse
hervorgerufen. Vielmehr herrscht die Temperatur von 0° bis 43° von der
Belle Isle-Straße nach dem St. Lorenzstromtrichter innerhalb einer Nordwest-
strömung von Stärke 6 bis 7, die Temperatur von -} 25° bis -} 26° nordöstlich
Bermuda in einer Südwestströmung von Stärke 5 bis 7. |
Dabei meldet in der Warmluft ein Schiff auf 37° N-Br., 61° W-Lg. bei SW7
und 26° sogar Nebel (ein Zeichen für Abkühlung der untersten Luftschicht),
ein anderes auf 40°N-Br., 57° W-Lg, bei SW 5, 25° bedecktes Wetter mit Regen.
Nur längs der Ostküste der Vereinigten. Staaten. erscheint der thermische
Gegensatz — bei schwachen nördlichen Winden und heiterem Wetter über Land
und See — zunächst einmal unterlagebedingt. Es reicht jedoch, wie die
meteorologische Vorgeschichte, die. Wind- und Druckverteilung des 18, Oktober
deutlich erkennen lassen, eine Kaltfront von Süd-Neufundland über 40° N-Br,
60° W-Lg. nach 30° N-Br., 75° W-Lg., und die Zone dichtgedrängter Isothermen
stellt eine nach Neufundland zu an. Schärfe und vertikaler Mächtigkeit gewinnende
Frontalzone dar,
Das Isothermenbündel dieser Frontalzone fällt östlich Neufundland allseitig
auseinander, die Isothermen diverglieren:; Hier liegt jenes Gebiet, das nach einem
Vorschlag des Verfassers als Delta einer Frontalz one bezeichnet wurde, nach-
dem es von KR, Scherhag*) als dynamisch bedeutsam. erkannt war. Das Iso-
thermenbündel, wenn es für mehr als nur die untersten Luftschichten repräsen-
tativ ist, bedeutet die Zone eines Höhensturmes in Isothermenrichtung (rarm =
Höhenhoch, kalt = Höhentief), sofern nicht stark entgegengesetzte Bodendruck-
yerteilung den Temperatur-Dichteeinfluß auf den Höhendruck kompensiert —
was am fraglichen 13. Oktober in keiner Weise der Fall ist.
Setzt man die Isothermen vereinfachend einmal gleich Höhenisobaren, so
würde der in Tafel 50 quer zu den Isothermen östlich Neufundland eingezeichnete
„Luftfaden“ (F—-F, gestrichelt) nach einer bestimmten Zeit etwa in die Linie F,—F,
bewegt worden sein: Das dazwischenliegende „Delta“ der Frontalzone wird wohl
aus der Figur unmittelbar anschaulich!
Im Delta einer Frontalzone resultiert nach der Scherhagschen Divergenz-
theorie der Zyklonen?®) der kräftigste Luftdruckfall, und wir finden diese Regel
auch hier bestätigt, indem am nächsten Tage das Neufundlandtief, um 15 mm
und zur Sturmzyklone vertieft, gerade im Scheitelpunkt des Vortags-Deltas der
westatlantischen Frontalzone liegt (vgl. die Abb.)
Am 13, selbst liegt auf etwa 50° N-Br., 40°W-Leg., also im zentralen Teil des
Frontalzonendeltas, zudem noch ein Keil des Azorenhochs, was das Zustande-
kommen des Divergenzeffektes vom Boden her erleichtert, Dieser Hochdruck-
keil ist ein kalter Keil: Hinter dem früher erwähnten Südausläufer des westlich
Irland gelegenen Tiefs ist Kaltluft bis über die Azoren hinaus nach Süden vor-
gedrungen, und ihr Vorhandensein bis weit in das Azorenhoch hinein spiegelt
sich noch. in dem Isothermenverlauf zwischen den Azoren und Bermuda wider.
Bemerkenswerterweise melden zwischen 40° und 50° N-Br. zwei unmittelbar an
der Achse des Azorenhochkeiles gelegene Schiffe noch Regenfall. Dies deutet
auf. Instabilität der Masse, d, h. darauf, daß die im rechten Teil des Frontal-
zonendeltas befindliche Kaltluft in. der Höhe noch ausgeprägter yorhanden ist,
als es die Isothermen der hier unterlageerwärmten Kaltluftmasse erkennen lassen.
7 R. Scherhag, Bemerkungen zur Divergenztheorie der Zyklonen. Meteorol, Zeitschr, 1936,
SS, BLff. — 2) Scherhar, aa 0, daselbst weitere Literaturangaben.