Becker, Rı: Über den jährlichen Temperaturgang auf dem Atlantischen Ozean. 203
Die letzte Punktreihe wurde längs des mittleren Schiffahrtsweges (er ist mit
jer Jahreszeit ziemlich. stark veränderlich) nach Nordamerika von 10° zu 10°
Westlänge angebracht. In den Tab. 5 und 6 und in dem Isoplethenentwurf!) der
Abb. 6 wurde das Ergebnis dargestellt. Es dürfte in Anbetracht der Wichtigkeit
jer Nordatlantik-Route von besonderem Interesse sein. Wie die Isoplethen
zeigen, entspricht dem Abnehmen der geographischen. Breite nicht stets eine
Abnahme der mittleren Lufttemperatur, Es ist vielmehr in den Wintermonaten
in 30° W am wärmsten und im Sommer in 40° W, wenn man von New York
selbst absieht. Von besonderem Interesse ist der Punkt 42° N, 60° W, Wie die
Tab. 6 zeigt, ist hier das Wasser in den Wintermonaten um rund 4° wärmer als
die Luft. Zieht man nun noch die Tab. 2, 4, 7 und 8 hinzu, so erkennt man, daß
an keinem der 28 untersuchten Punkte der Unterschied zwischen Luft- und
Wassertemperatur größer ist als in 42° N, 60° W. In Abb. 7 wurde der Jahres-
gang der monatlichen Mitteltemperaturen für diesen Ört graphisch dargestellt.
Der große Unterschied zwischen Luft- und Wassertemperatur tritt deutlich her-
vor, Am stärksten ist er im Herbst und Winter, Wie die Polardarstellung
zeigt, liegen sich die Extrempunkte im Jahreslauf diametral gegenüber (Februar
and August). a
Zum Schluß sind noch die beiden kleinen Tab. 7 und 8 zu erwähnen. Auf
Abb. 8 ‚oben sind sie auch graphisch dargestellt. Sie beziehen sich auf zwei
Punkte, welche für die Schiffahrt noch als wichtig hervorzuheben sind. Der
eine liegt zwischen den Bermuda- und Bahama-Inseln, auf der Strecke nach
Kuba—Mexiko, der andere vor der Gibraltarstraße und ist für ins Mittelmeer
einfahrende Schiffe von Interesse,
Der gegenseitige Verlauf der Monatsmittel von Luft- und Wassertemperatur
gibt nun noch zu den folgenden den Wärmehaushalt betreffenden Überlegungen.
Anlaß. Während die Lufttemperatur ansteigt, ist das Wasser im allgemeinen
kälter als die Luft, Es muß also der Luft Wärme entzogen und dem Wasser
zugeführt werden, was dem Ansteigen der Lufttemperatur. entgegenwirkt, Wenn
die Mittel der Luft- und der Wassertemperatur von Monat zu Monat abnehmen,
ist das Wasser wärmer als die Luft; es muß jetzt also die Wärme vom Wasser
zur Luft fließen, was die tatsächlich erfolgende Abkühlung der letzteren abbremst,
Der zwischen Luft und Wasser stattfindende Wärmeübergang‘ wirkt also dem
jährlichen Gang der Lufttemperatur entgegen, Die Erwärmung der Luft und
Ihre Abkühlung im Jahreslauf kann demnach nicht vom Wasser verursacht sein,
wohl aber erzwingt seine hohe Wärmekapazität eine weitgehende Angleichung
der Lufttemperatur an die des Wassers, Infolgedessen rücken die Extrempunkte
ter Monatsmittel der Lufttemperatur, die auf den. Kontinenten im Januar und
Juli Negen, über dem Ozean auf Februar bis März und August bis September,
Wie bereits früher erwähnt, ist dieser Zusammenhang zwischen jährlichem
Gang und der Differenz Luft minus Wasser eine mit Ausnahme der äquatorialen
Zone überall gültige Regel und nicht an bestimmte Windsysteme gebunden.
Sollten nun aber die Mittel der Lufttemperatur um etwa. einen halben Grad zu
hoch sein, so lassen. sich die für den Wärmeübergang gezogenen Folgerungen
aur noch teilweise aufrechterhalten. Sie werden sogar schon fraglich bei um
wenige Zehntel Grad zu hohen Lufttemperaturen?), Das Vorzeichen der Diffe-
renz Luft- minus Wassertemperatur läßt sich dann während des Änstiegs der
Mitteltemperaturen nicht mehr feststellen; die negative Differenz (beim Abstieg)
iritt aber verstärkt hervor. Es bleibt also das Resultat bestehen, daß die
Wasserabkühlung vom Sommer zum Winter nicht die Ursache der Luftabküh-
lung sein kann.
1) Temperaturen von Seilly nach Köppen-Geiger, Handbuch der Klimatologie, Bd. 8, Teil IL;
New York nach Hann, Handbuch der Klimatologie, Bd. 3. |
2) Untersuchungen über die wichtige Frage der zu hoch gemessenen Lufttemperatüren. auf See
werden z. Z. auf der Secewarte durchgeführt,
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