Rodewald, M.: Das norddeutsche Hochdruck-Gewitter vom 19, August 19532. 158
Cewittern nicht eben selten; sie sind dabei oft schwer und bislang kaum vor-
hersagbar gewesen. |
Ihre Vorhersage bietet aber in mancher Beziehung weniger Schwierigkeiten
al die anderer Gewitterarten, trotzdem die Gewitter selbst sehr plötzlich
und Ohne vorherige Ankündigung (Wanderung) in. der Wetterkarte auftreten.
Dafür zeigen sie eine längere „Vorbereitungszeit“, die sich besonders im Druck-
bilde und seinen Änderungen ausprägt!), Das Hoch über Dänemark bzw.
ein ebensolcher Hochdruckkeil und das von der Biskaya bzw. Frank-
reich kommende Druckfallgebiet sind ziemlich regelmäßige Vorlauf-
Erscheinungen dieser Gewitter, Daß dieses Druckfallgebiet — es handelt sich
um Gewitter, die ausschließlich in der wärmeren Jahreshälfte auftreten — auf
seiner Ostseite sehr warme Luft (kontinentale Tropikluft) heraufschafft, braucht
nicht besonders betont zu werden,
Zu. beachten sind jedoch zwei andere Punkte: Erstens muß die über
Skandinavien. bzw. den Britischen Inseln herrschende kältere Luft
strömung der Westwinddrift in der oberen Troposphäre (5 bis 10 km
Höhe) über dem späteren Gewittergebiet noch stark ausgeprägt sein
(Windgesehwindigkeit etwa >15 m/sec), Dieser starke Höhenwind kann nach
dem jeweiligen Verlauf der mittleren troposphärischen Isothermen — und in
geringerem Maße dem Verlauf der Bodenisobaren — die Richtung von etwa SSW
bis WNW haben, Das Gebiet, in dem er herrscht, stellt eine mehr oder minder
breite Frontalzone dar, die zuweilen als Front am Boden in Erscheinung tritt.
Zweitens muß die Bodendruckverteilung derart sein, daß das mit
einer (kleinen) Komponente gegen das Gebiet der starken Höhen-
strömung ziehende Druckfallgebiet („sekundärer“ Teil der unteren
Warmluftäadvektion; Nachteffekt) auf seiner Vorderseite günstige Be-
dingungen für ein Konvergieren der unteren Luftströme findet. Die
Bedingung wird am besten dadurch realisiert, daß in das Gebiet, gegen welches
die Zugrichtung des Druckfallgebietes geht, vorher kühlere Luft aus West bis
Nord unter (relativem) Druckanstieg ausgeflossen ist. Diese. Kaltluft braucht
nur seicht zü sein, ihr Vortoß ohne Wetterwirksamkeit gewesen zu Sein; der
Temperaturgegensatz Land-Meer (Seewindeinfluß) dürfte oft am Zustandekommen
mitwirken,
Natürlich gibt es gewisse Modifikationen des Gewittertypus und seiner Vor-
bedingungen. Man vergleiche dazu. etwa die Fälle der nächtlichen Nordsee-
gewitter vom 8, bis 9. September 1934 und 18, bis 19, September 1934 sowie die
Fälle der nächtlichen Schwergewitter in der Zone Nordbelgien— Rügen. vom 14,
bis 15. Juni 1985 und 26. bis 27. Juni 1985%,. Kräftiger heißer Südwind abends
jm Rhönetal, gleichzeitiges Drehen der Winde von West über Nord zwischen
Rheinmündung und Niederelbe können öfters als Anzeichen gelten, daß eine
Gewitternacht bevorsteht. Immer aber muß man %®ich dabei fragen, ob nach
der Bodenwetterkarte und den Höhenverhältnissen eine Verwirklichung des
Schemas zu erwarten steht, wie es Abb. 19 Tafel 20 skizziert.
Die Entstehung des Nordsee-Orkantiefs vom 19. Oktober 1935,
Anwendung der Divergenztheorie auf eine herbstliche Sturmzyklone.
Von R. Seherhäg, Hamburg, Deutsche Seewarte,
(Hierzu Tafel 21.)
Zusammenfassung: Das Orkantief vom 19. Oktober 1935 entstand mit großer Plötzlichkeit im
Delta einer ausgedehnten über dem mittleren. Atlantik gelegenen Frontalzone schärfster Ausprägung,
Ein Vergleich der Zunahme der kinetischen Energie im Bereich des Sturmtiefs mit der Energie der
frontalen Höhenströmung: führt auf Werte für die Länge der Frontalzone, den dort herrschenden
Temperaturgegensatz und die Froutneigung, die mit den empirischen Befunden bestens übereinstimmen
und somit einen. Beweis für die Divergenztheorie bilden. Auch treten die weiteren theoretisch zu er-
7" 13 Val, Insbesondere R. Scherhag, A, H, 1933, &. 94ff. nebst Tafel 9 bis 11. = % Täglicher
Wetterbericht der Deutschen Seewartes vgl. zum. 3. Fall auch R. Secherhags Mitteilung in A, H. 1935,
S_ 318 bis 31%.