Rodewald, M.: Das norddentsche Hochdrück-Gewitter vom 19, August 1932, 147
Wir sehen, daß zwischen dem Boden — mit 2 m/sec Wind — und 2 km
Höhe — mit 4 m/sec — ein Keil hoher Windgeschwindigkeit liegt, wobei
das Maximum über 9 m/sece zwischen 500 und 1500 m Höhe annähernd dem
Maximum der Temperaturänderung entspricht. Oberhalb der Kerbe von Wind-
schwäche bei 2 km Höhe nimmt die Strömungsgesch windigkeit dann erneut zu,
erreicht aber erst in 4 km Höhe wieder den Wert der Windstärke in 1 km Höhe.
Das Abklingen der Windstärke von 500 m Höhe zum Boden hin ist wesentlich
ein Effekt der Reibung, sowie anderseits das Abklingen der Temperaturschwanküung
zum Boden. hin sicherlich großenteils durch Wärmeausstrahlung mit verursacht
ist. Es scheint, als ob ohne diese beiden Faktoren die Wärmevwelle ihren Sitz
direkt am Boden haben würde: Durch ihr Dasein aber kommt es, daß der Warm-
Juftyorstoß oberhalb der Bodenreibungsschicht am Ausgeprägtesten wird.
Daß tatsächlich unterhalb 2 km Höhe ein anderes Windregime herrscht als
oberhalb, wird durch Abb, 16, Tafel 20, veranschaulicht, welche die Höhenwind-
änderung über Nordwestdeutschland (Essen, Hannover, Köln) im Laufe des
19, August wiedergibt, Bis 1, km Höhe tritt ein kräftiges Auffrischen der
Winde von 2 km Höhe an aufwärts im gleichen Maße ein Abflauen der Winde
ein; besonders tritt das starke Anschwellen der Südkomponente der
Strömung zwischen 200 und 1500 m Höhe in Erscheinung, das sehon vor-
mittags eingesetzt hat und in den Nachtpiloten von Hannover und Köln den
größten Betrag erreicht, Da diese Verhältnisse über Belgien und Holland eher
noch in verstärktem Maße anzunehmen sind, schiebt sich die köntinentale
Heißluft wulstförmig gegen die südliche Nordsee vor. Es ist zwar zu
beachten, daß auch die langsam rückdrehende nordwestliche ÖOberströmung
Warmluft des westlichen Europa verfrachten könnte, doch kann diese Advektion
— wegen des nördlichen Windeinschlags und der gleichzeitigen Abnahme der
Westkomponente oberhalb 2 km — zunächst sicherlich nicht die gleiche Er-
wärmung wie die Strömung unterhalb 2 km Höhe bewirken.
4, Der Vorgang der Gewitterbildung.
Bei ihrem Vorstoß nach Nordosten gerät die tieftroposphärische Warmluft
unter eine immer kältere nordwestliche Höhenströmung, bis die Sehichtung
an der Oberseite der Warmluftzunge instabil und ihr Aufstrudeln, d.h.
die Gewitterbildung beginnen kann, Dies tritt, wie früher gezeigt, über den
Gewässern bei Horns Riff ein.
Die Kondensationshöhe der westdeutschen. Heißluft, die an der von der
Weser nach Südengland verlaufenden Warmfront zum Emporgleiten gebracht
wird, berechnet sich zu etwa 1500 m Höhe. Da Helder am Nachmittag des
19. August 29°, bei einer Zehnerziffer der relativen Feuchte von V, Nordhorn
entsprechende Werte von 383° und IV meldet, ergibt sich innerhalb der Heiß-
Juft der Dampfdruck 6, zu etwa 16.5 mm und eine Taupunktstemperatur %, von
rund 19°.
Nach der Näherungsformel für die Kondensationshöhe
= 120 (bo — Do) ii
wo ty die Bodentemperatur, ergibt sich (aus Helder und Nordhorn) ein mittlerer
Wert des Kondensationsniveaus der Warmluft von 1450 m Höhe,
Dieser Wert ordnet sich in den vertikalen Bereich des aus den westdeutschen
Piloten ersehlossenen Südluftvorstoßes ein; er kann außerdem dazu dienen, die
Verhältnisse an der Unterseite und an der Oberseite der Warmluftzunge ange-
nähert zu erfassen,
Zwischen Warmfront am Boden (Nordholland) und Gewitterherd (westlich
Blaavandshuk) beträgt die Entfernung fast 300 km. Nimmt man au, daß die
Heißluft auf dieser Strecke über der kälteren Nordseeluft emporgleitet und in
1450 m Höhe am Gewitterherd zu kondensieren beginnt (wo die Wolkenluft
auch gleich heftig weiteraufsteigt), so ergibt sich eine für Aufgleitflächen normale
Neigung der Warmluft-Unterseite von etwa 1; 200, gleich einem Neigungs-
winkel der Frontfläche von 17’, Der Abstand von Boden -Warmfront und Gewitter-
Iront ist übrigens auch am 20. August morgens noch etwa derselbe, 300 km.