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Full text: 62, 1934

Grundmann, W.: Über die Nullpunktsänderung: der Thermometer usw. 489 
liche oder zumeist künstliche Alterung!)®*) versucht man die in der Thermometrie 
zur Anwendung kommenden Gläser in eine Art Gleichgewichtszustand zu ver- 
getzen, in dem dann eine Konstanz in der Gesamtstruktur des betr. Glases 
herrscht. Einen vollkommen stabilen Gleichgewichtszustand zu erreichen ist 
aber kaum möglich und wenn, dann doch nur für bestimmte relativ eng be- 
grenzte Temperaturstufen, Dies kann man etwa so erklären, daß das ursprüng- 
lich amorph erstarrte Glas langsam kristallinisch wird und dabei sein Yolumen 
verkleinert, somit einen dauernden, Nullpunktsanstieg bewirkt; dieser Umwand- 
Jungsprozeß ist bezüglich der Schnelligkeit eine Funktion der Temperatur, Mit 
der Zeit stellt sich bei jeder Temperatur angenähert ein GHeichgewicht ein, das 
aber durch jede größere Temperaturänderung wieder gestört wird. 
Man unterscheidet hauptsächlich zwischen zwei verschiedenen Nachwirkungs- 
erscheinungen des Glases, den reversiblen und den vollkommen oder unvoll- 
kommen irreversiblen. Die reversible Nachwirkung besteht darin, daß 
temperaturbedingte Volumveränderungen des Glases bei rascher Wiederherstellung 
der Ausgangstemperatur nicht sofort wieder zurückgehen. Das heißt, daß ein 
auf 0°C justiertes Thermometer nach Erwärmung und darauffolgender rascher 
Abkühlung zu niedrig, eine Nullpunktsdepression, zeigt, die aber mit der Zeit 
wieder verschwindet, Diese beträgt beispielsweise bei Jenaer Glas 161% und 5914 
je nach dem Temperatursprung etwa zwischen 0,03° und 0.05° C, bei Verre dure 
zwischen 0.4° und 0.7°C., 
Die irreversiblen Nachwirkungserscheinungen äußern sich in einer durch 
dauernde Volumveränderung des Glases hervorgerufenen Verschiebung der 
Fundamentalpunkte, und zwar derart, daß diese infolge der Glaskontraktion im 
Laufe der Zeit langsam ansteigen. Diese „Nullpunktsattraktion“ (Nullpunkts- 
hebung) hält oftmals, mit allerdings verzögerter Geschwindigkeit, jahrelang an. 
Bei einem frisch hergestellten Thermometer (ungealtertes Glas) kann der bei 
kalifreiem Hartglas (16% und 59!) durch längeres Erhitzen hervorgerufene 
Gesamtanstieg im Laufe der Zeit bis zu etwa 10° C, bei gewöhnlichem Glas bis 
über 20°C betragen. Bei künstlich gealterten Hartglasthermometern beträgt die 
Nullpunktshebung im Durchschnitt anfangs, d. h, im ersten Jahre bis zu 0.08° C, 
im zweiten Jahre etwa 0.01° bis 0.02°C. Der zusätzliche Anstieg beträgt dann 
von Jahr zu Jahr weniger; im Endeffekt beträgt die Nullpunktshebung nach 
12 Jahren im Durchschnitt 0.07° bis 0.08° C, vorausgesetzt, daß das Glas gut 
gealtert und das Thermometer während dieser Zeit nie — auch nur vorüber- 
gehend — Temperatüren von 50° C und darüber ausgesetzt war‘). 
Für den Meteorologen und Klimatologen interessiert nun in erster Linie, 
welchen Anstieg die von ihm verwandten gebräuchlichen Quecksilberthermometer 
unter den in der Natur obwaltenden Temperaturverhältnissen mit der Zeit 
erfahren. 
Diese Frage zu klären, unterwarf ich im Laufe der Jahre 1928 bis 1934 im 
schlesischen Stationsnetz untergebrachte Quecksilberstationsthermometer (Ein- 
schlußthermometer mit Fueß’scher Skalenbefestigung)*), die zum Teil in den 
Jahren 1911 bis 1929 von den Eichinstituten — Physikalisch-Technische Reichs- 
anstalt (PTR) und Thüringisches Staatsprüfamt (TLMG) einer erstmaligen Eichung 
unterzogen waren, in zeitlichen Abständen mehreren Nacheichungen, deren Er- 
gebnisse an fünf Beispielen — von 27 derartigen Eichreihen — in der Tabelle 1 
für 0° C wiedergegeben sind. Für die anderen Temperaturen sind die Prüf- 
ergebnisse entsprechend. 
) Marchis, Zechr, f. Phys, Chem. 37, 553 u. 605, 1911, -— 2%) Die künstliche Alterung besteht 
darin, daß man das Glas während mehrerer Tage auf 450° bis 500°C erhitzt und dann sehr langsam 
abkühlt, oder aber während mehrerer Stunden abwechselnd stark erhitzt und kühlt. — 3%) Nach 
Östwald-Luther, Physiko-Chemische Messungen, beträgt z. B. der Nullpunktsanstieg künstlich 
gealterter Gläser: bei 100° am ersten Tage 0.1°, am zweiten 0.05°, am dritten 0.02° C; bei 200° in 
den ersten 10 Stunden 0.4°, in den zweiten 0.2°, in den dritten 0.1° C'; bei 360° in den ersten 
LO Stunden 25°, in den zweiten 1.0° und in den dritten 0.5° C, (Bei gewöhnlichem Glas sind die 
entsprechenden Zahlen etwa fünfmal so groß.) — *) Eine andere Skalenbefestigung ist in der Meteoro- 
logie seltener anzutreffen, Die Papierskalen, wie sie beispielsweise bei Erdbodenthermometern und 
sogen, Pulverthermometern noch anzutreffen sind, sollten besser ganz verschwinden.
	        
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