Thorade, H.: Über Stromunruhe.
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Über Stromunruhe.
Nach Beobachtungen im Kattegat, August 19312).
Von H. Thorade.
{Hierzu Tafel 39 mit Fig. Nr. 1 bis 10 und 12, Tafel 40 mit Fig. Nr. 11.)
J]. Das Beobachtungsverfahren,
$ 1. Schnell aufeinanderfolgende Beobachtungen mit einem einzelnen Instrumente.
Es ist bekannt, daß bei Strommessungen von einem verankerten Schiffe aus
merkliche Abweichungen von der wirklichen Strömung beobachtet werden können,
weil der Aufhängepunkt des Strommessers die Bewegungen des Fahrzeuges mit-
macht. Das Instrument wird durch das Wasser geschleppt, wodurch ein „Fahrt-
strom“ entsteht, ähnlich dem „Fahrtwinde“, der bei der Windbeobachtung von
Bord aus zu berücksichtigen ist, und die Anzeige des
{nstruments liefert nicht den wahren Strom, sondern
die Resultierende aus diesem und dem Fahrtstrome
(Abb. 1.): Ist AB der wahre Strom, BC die Geschwin-
digkeit des Schiffes, so ist BD = BC der Fahrtstrom
und AB der resultierende, am Instrumente beobachtete
Strom nach Richtung und Geschwindigkeit. Eine be-
sonders gute Gelegenheit, die Wirkungen des Fahrt-
stroms kennenzulernen, mußte der Rauschelbach-
Strommesser?) bieten, der bei der internationalen Ex-
pedition ins Kattegat im August 1931 an Bord des R. F. D.
„Poseidon“ benutzt wurde. Denn dieser Apparat bezieht
durch seine bifilare Aufhängung die Stromrichtung auf
fortlaufend abzulesenden Schiffskurs und vermeidet damit die den magnetisch den
anzeigenden Instrumenten anhaftende Unsicherheit infolge der Deviation der
Nadel; außerdem folgen die auf einem an Bord aufgestellten Empfangsgeräte
elektrisch aufgezeichneten Richtungsangaben einander in der schnellen Folge von
je zehn Sekunden, unabhängig von der Stromgeschwindigkeit, und letztere wird
gemessen durch Registrierung jeder zehnten Umdrehung eines Propellers. Da-
durch ist der Übelstand, daß die Angabe der Richtung sich auf einen Augen-
blick, die der Geschwindigkeit sich dagegen auf einen längeren Zeitraum bezieht,
stark vermindert. Nimmt man zu jeder aufgezeichneten Richtung die Anzahl
der 5 sec vor- und 5 sec nachher gemachten Umdrehungen hinzu, so ergeben
sich Strombilder nach Art der Nr, 1 (Tafel 39); die Strompfeile muß man sich
von dem Nullpunkte nach den einzelnen Kreuzen der Abbildung gezogen denken.
Die Beobachtungen streuen also sehr stark, und die Pfeilspitze durchmißt in
einer halben Stunde ein großes Gebiet; dabei wäre es ein Irrtum, zu glauben,
daß etwa der Strom selbst sich unterdessen merklich geändert hätte; die punk-
tierte Linie, die das Schwanken der Pfeilspitze in den ersten drei Minuten ver-
anschaulicht, lehrt, daß schon in dieser kurzen Zeit fast das ganze Gebiet durch-
messen wird. Dieser Tatbestand beweist, daß es bei Strommessungen von
Bord nicht genügt, nur einige Ablesungen in weiten Zeitabständen zu
machen, weil man dann ein ganz falsches Urteil erhalten kann.
Wohl aber wird die Annahme erlaubt sein, daß der wahre Strom sich im
Mittel nur langsam ändert, und hierauf gründet sich R. Wittings Ausgleichs-
methode (Comparative method): Jede Messung wird in eine Nord- und eine
Ostkomponente aufgekoppelt, und diese werden zu Mittelwerten vereinigt, Aber
auch die einzelnen Minutenmittel sind noch unstetig (Nr. 2, Tafel 39), und erst
der Durchschnittswert aus je fünf Minuten (Nr. 3) zeigt nur mehr geringfügige
Anderungen während der halben Stunde und weicht auch von dem Gesamtmittel
der 180 Beobachtungen nur unbedeutend ab (= der Doppelkreis ©) mit einer
*) Ausarbeitung eines am 6, Juni d. J, dem Internationalen Rat für Meereskunde in Kopenhagen
erstatteten Berichts. — ?) Rauschelbach, H.: Beschreibung eines bifilar aufgehängten, an Bord
elektrisch registrierenden Strommessers, Ann, d. Hydr. 1929, Beiheft, 71 S. m. 63 Abb. — Vgl, auch
den Kurzbericht d. Verf. in „Methoden zum Studium der Meeresströmungen‘“, Handb. d. biol, Arbeits-
meth., v, E. Abderhalden, Abt. II, TI. 3, S. 2961—2972, Berlın u. Wien 1933.
}