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Full text: 62, 1934

Die Deutsche Seewarte und ihre Zukunft. 
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Ganz besonders aber hat sich der Aufgabenkreis der Seewarte, weit mehr, 
als es Neumayer je vorausahnen konnte, durch die Entwicklung der trans- 
ozeanischen Luftfahrt erweitert. In der Vorkriegszeit war die Seewarte das 
einzige meteorologische Reichsinstitut; sie war Wetternachrichtenzentrale nicht 
nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Der internationale drahtlose 
Austausch ging über die Seewarte, ihre Gegenleistung waren: Küstenwetterdienst, 
Sturmwarnungen, täglicher Wetterbericht, der heute im 59. Jahrgang erscheint. 
In der Nachkriegszeit waren drei Impulse für die Entwicklung entscheidend: 
die neue Erkenntnis vom Wettergeschehen, fußend auf der Theorie der Fronten 
und Luftmassen und auf der Aerologie, dann die Umstellung des Wetterdienstes 
auf die Funktelegraphie und schließlich die Verwendung des Flugzeugs als 
Verkehrs- und Forschungsmittel. Vom engräumigen europäischen Wetterdienst 
ging die Seewarte über zum weltumspannenden, intensiven Wetterdienst, 
von der Europakarte über die Nordatlantik-Wetterkarte zur Wetterkarte der 
Nordhalbkugel und schließlich zur Südamerika-Wetterkarte, Das alles wurde 
möglich durch die Funktelegraphie und den Wiederaufbau des großen klima- 
tologischen und synoptischen Schiffsbeobachtungsnetzes und den Wiederaufbau der 
Überseestationen in allen Ländern der Welt, Vom Sturmwarnungssignal für 
Kleinschiffahrt und Küstenfischerei gingen wir über zum drahtlosen nordatlan- 
tischen Wetterbericht für Schiffahrt und Hochseefischerei, die bis Island und in 
das Eismeer besonders beraten wird. Auf vielen Dampfern entwerfen heute 
schon viele auf der Seewarte ausgebildete Schiffsoffiziere ihre Wetterkarten 
selbst, und wir hoffen, die Zeit ist nicht fern, daß jedes Schiff seine Bildfunk- 
wetterkarte erhält. Die Abkürzung des Verkehrsweges von Deutschland nach 
Rio von 28 auf 4 Tage wird gesichert durch die meteorologische Beratung des 
Ozeanluftverkehrs, dessen Grundlagen die Seewarte auf 14 Forschungsfahrten. 
gesammelt hat und der durch sechs ständig arbeitende Höhenwindmeßstellen 
auf Handelsschiffen dank der opferwilligen Mitarbeit der Schiffsoffiziere ermög- 
licht wurde. So konnte jedes deutsche Luftfahrzeug und Luftschiff bei seinem 
Flug über die Weltmeere von uns beraten werden, 1924 das Luftschiff L. Z. 126, 
der „Graf Zeppelin“ bei seiner Welt- und seiner Arktisfahrt, die Erkundungsflüge 
der DoX nach Amerika, die Flüge des Herrn v. Gronau, dann planmäßig die 
Schleuderstartflüge und die Südamerikafahrten des „Graf Zeppelin“ und der 
Lufthansa, bei denen zu jener wunderbaren Zuverlässigkeit unsere „Flugwetter- 
karte Südatlantik“ auf den Schiffen „Westfalen“ und „Schwabenland“ beiträgt. 
Alle diese Ergebnisse des Flugwetterdienstes kommen selbstverständlich in gleicher 
Weise auch der Schiffahrt zugute, und zeigen somit die organische Einheit 
unserer Reichsaufgaben auf See. 
Das stolze Wort des Herrn Reichsministers der Luftfahrt: „Das deutsche 
Volk soll ein Volk von Fliegern werden!“ bedeutet für uns ein Arbeitsprogramm, 
nämlich an unserer Stelle dafür zu sorgen, daß die deutsche transozeanische 
Luftfahrt in der Reihe der führenden Völker der Welt bleibt. Das gewaltige 
Anwachsen der Seewartenaufgaben führte zu einer Überlastung des alten Ge- 
bäudes, und es ist mir eine angenehme Pflicht, dem Herrn Reichsminister der 
Luftfahrt unseren Dank auszusprechen für die Gewährung eines großzügigen 
Erweiterungsbaues, Dieser Neubau wird uns auch ermöglichen, neue Einrich- 
tungen zu schaffen für die endgültige und schnelle Auswertung der 10!/, Millionen 
Beobachtungssätze, die unsere angesammelten meteorologischen Schiffstagebücher 
als kostbares Quellenmaterial bergen. Im Neubau wird endlich unsere 50000 
Bände umfassende Bibliothek eine würdige Aufstellung finden. 
Dem Herrn Chef der Marineleitung danke ich besonders für die Möglich- 
keit der Entwicklung der rapide fortschreitenden technischen Navigation, die 
uns in der engen Zusammenarbeit mit der Reichsmarineleitung und ihren großen 
Hilfsmitteln und Möglichkeiten gegeben ist. Wir begrüßen es vor allem, daß 
der Seewarte die Beteiligung an einer weiteren großen Forschungsexpedition des 
„Meteor“ in Aussicht gestellt wurde. Hat sie doch an sämtlichen deutschen 
ozeanographischen, arktischen und antarktischen Expeditionen der letzten Jahr- 
zehnte teilgenommen.
	        
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