Möller, F.: Über Differenzenmethoden bei Höhenwinden,
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Höhe der Temperatur, und doch wird niemand daran denken, diese Tatsache
als Argument für die Unbrauchbarkeit der Differenzenmethode anzusehen, sondern
man ist froh, an der Nachbarstation eine nicht durch zufällige Ereignisse ab-
gebrochene Reihe zu haben, auf die man reduzieren kann, Auch dieser Einwand
gegen die Differenzenmethode ist also unbegründet,
Es ist vielmehr — gerade umgekehrt — die Anwendbarkeit der Differenzen-
methode eher anfechtbar in unseren Breiten, wo ein anerkannter Zusammen-
hang zwischen Windstärke und dem Abbrechen der Reihen besteht. Der Sach-
verhalt ist der, daß bei der Differenzenmethode die bei heiterem Wetter in
größeren Höhen beobachteten vertikalen Windänderungen angebracht werden
an den in geringerer Höhe abbrechenden Winden. Wenn nun ein Zusammen-
hang besteht zwischen der vertikalen Windänderung, die man für die Differenzen-
methode gebraucht, und der Bewölkungshöhe oder der Windstärke in geringen
Höhen über dem Boden, wenn beispielsweise bei tiefer Bewölkung immer Rechts-
drehung und Zunahme, bei heiterem Himmel Linksdrehung und Abnahme des
Windes herrschen würde, so wird die Anbringung der Linksdrehung und Ab-
nahme als Korrektion für die starken Winde, die in größerer Höhe nicht
beobachtet sind, unzulässig sein und falsche Windvektoren vortäuschen. Eine
theoretische Betrachtung‘ schafft Klarheit. Die Änderung des Windes in der
Vertikalen ist — abgesehen von den untersten 500 oder 1000 m der Reibungs-
zone — genau proportional der Temperaturänderung in der Horizontalen und
steht senkrecht auf deren Richtung, Sie ist also ohne weiteres zu iden-
tifizieren — abgesehen von der Drehung um 90° nach rechts — mit dem horizeon-
talen Temperaturgradienten, Dieser ist aber eine durchaus selbständige physi-
kalisch definierbare Größe, ebenfalls vektorieller Natur, auf die man demgemäß
ebenso die Differenzenmethode anwenden kann wie auf alle anderen Größen,
wenn die Beobachtungsreihen vorzeitig abbrechen sollten. Man kann also zu-
nächst die horizontalen Temperaturgradienten bzw. die vertikalen Winddifferenzen
von Höhenstufe zu Höhenstufe, die in größeren Höhen nicht zur Beobachtung
kommen konnten, nach den unteren Beobachtungen mit HiMe der vektoriellen
Differenzenmethode ergänzen. Wenn nur die untersten Beobachtungen, also
etwa der horizontale Temperaturgradient in der 500 bis 1000 m-Schicht einiger-
maßen alle Fälle — mit starkem Wind und mit schwachem — umfaßt, so wird
28 nicht viel schaden, wenn vielleicht dicht darüber schon eine systematische
Auswahl stattfindet: Die horizontalen Temperaturgradienten der nächsten Schicht
werden sinngemäß nach denen der unteren Schicht ergänzt. Eine Störung dieses
Verfahrens tritt nur dann ein, wenn z, B. in Schichten mit starken Inversionen,
starken Winddrehungen und infolgedessen ungewöhnlich großen horizontalen
Temperaturgradienten die Temperaturverteilungen oberhalb der Inversion mit
denen unterhalb wenig Zusammenhang mehr zeigen, Wenn dann in diesen Höhen
auch gerade viele Windmessungen durch Bewölkung‘ ihr Ende finden, können
vielleicht falsche Ergebnisse geliefert werden. Es ist aber die Frage, ob in
diesem Falle die verbesserte Differenzenmethode nicht doch richtigere Windwerte
gibt als die einfache. Die Rechnung geht dann £o weiter, daß man die für alle
Höhenschichten nach der Differenzenmethode ermittelten horizontalen Temperatur-
gradienten oder vielmehr die vertikalen Winddifferenzen, mit denen man von
vornherein rechnet, aufaddiert und 80 das bestdefinierte Windmittel für größere
Höhen findet. Es wird also gewissermaßen eine zweifache Differenzenmethode
angewendet, die nicht die fehlenden vertikalen Differenzen des Windes gleich
den beobachteten setzt, sondern dasselbe Verfahren erst mit den Änderungen
der vertikalen Winddifferenzen von einer zur nächsten Höhenstufe durchführt.
Bevor aber dieses Verfahren angewandt werden kann, jst es notwendig zu
prüfen, ob wirklich der horizontale Temperaturgradient eine in der Vertikalen
wenig veränderliche Größe ist, d.h, ob man z. B. bei einem großen nach Norden
gerichteten Temperaturgefälle in der Schicht zwischen 1000 und 900 mbar auch
mit einem ähnlichen Gefälle in der darüberliegenden Schicht zwischen 900 und
800 mbar rechnen kann usw. Zu diesem Zwecke standen aus einer anderen
Untersuchung die mittleren virtuellen Temperaturen der Hauptisobarenschichten