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Full text: 62, 1934

Lettau, H.: Atmosphärische Zirkulation auf der nördlichen Halbkugel usw. 9253 
falls als Mangel angesehen werden; es erscheint vielmehr nachteiliger, zu neuen 
Bearbeitungen immer wieder nur neue Zeitabschnitte zu wählen, was jeden 
Vergleich mit. früheren Ergebnissen erschwert, zumal meteorologische Beob- 
achtungen, gewonnen an einwandfreien Geräten, Ewigkeitswert besitzen. — 
F. M. Exner schreibt in seinem Geleitwort zum erwähnten Kartenwerk: 
„Wenn man sich die zwei Karten mit ihren Veränderungen in den folgenden Tagen 
ansieht, bekommt man nach meiner Meinung eine erste Anschauung über die sehr kom- 
plizierten Vorgänge der atmosphärischen Strömungen auf der Ha'bkugel, ... Wir können 
die Atmosphäre trotz ihrer ungeheuren Erdgröße durchaus nicht als in regelmäßiger 
Zirkulationsbewegung bestehend ansehen; es bilden sich immer wieder andere Strömungen, 
äber die wir noch kein sicheres Verständnis haben.“ 
An diesem Punkt will die vorliegende Arbeit einsetzen, Wenn auch hier 
nicht im entferntesten ein „sicheres Verständnis“ gewonnen wird, so erweist sich 
doch die Anwendung der von A, Defant!) in die Dynamik der weltumspannenden 
Strömungen eingeführten Turbulenzvorstellungen zur Erfassung und Darstellung 
von Wesen und Wirkung der Bewegungen recht aufschlußreich. 
Ausgehend von einem Zirkulationsschema, gewonnen aus der Darstellung 
langjährig gemittelter Bewegungszustände, wird man in der Tat nie auf Grund 
einzelner Wetterkarten die Atmosphäre als „in regelmäßiger Zirkulations- 
bewegung bestehend“ ansehen können. Das liegt jedoch nur daran, daß bei den 
turbulenten Schwankungen der Bewegungen Raum- und Zeitabschnitte solchen 
Ausmaßes eine Rolle spielen, welche eine Umstellung unserer gewöhnlichen Vor- 
stellungen von „kurz“ und „lang“ erfordern. Wenn wir die Auswirkung einer 
Mischungsbewegung zwischen Molek ülen als „sofort vorhanden“ empfinden, so liegt 
das nur daran, daß wir im allgemeinen mit Zeiten unter Sekundenbruchteilen 
nicht rechnen; wir müssen als entsprechenden Wirkungszeitraum (Zeitdifferential) 
beispielsweise beim Vertikalaustausch in der Atmosphäre mindestens Minuten, 
beim großturbulenten Meridionalaustausch Wochen zugrundelegen. Kann 
die innere Reibung in einem Gase noch als eine „normale“ physikalische Größe 
bezeichnet werden, die wir nach menschlichem Ermessen „für jeden Augenblick“ 
bestimmen können, so gibt es im selben Sinne „Vertikalaustausch für den Augen- 
blick“ nicht, ganz zu schweigen beim meridionalen Austausch; das wäre in 
gleicher Weise sinnlos wie von „menschlicher Treue für einen Augenblick“ zu 
sprechen, um einen einfachen Vergleich anzuführen. Der Gegensatz zur „Zeitlupe“ 
ist der „Zeitraffer“ und durch ihn (und nur durch ihn) gesehen, kann die Atmo- 
sphäre als in verhältnismäßig geregelter Zirkulationsbewegung befindlich an- 
gesehen werden. 
Neben der mittleren Strömungskarte gehört unbedingt zur vollständigen 
Darstellung der allgemeinen Zirkulation noch eine Karte, welche die mittlere 
Veränderlichkeit der Strömung, ihre Großturbulenz angibt; ein Ausbau der 
Exnerschen Arbeit in diesem Sinne soll in den folgenden Abschnitten ver- 
sucht werden, 
Zunächst enthält Karte 1 die mittlere Druckverteilung für Januar und 
Februar 1910, gewonnen aus rund 100 einzelnen Punkten (und zwar Schnitt- 
punkten bestimmter Meridiane und Parallelkreise), für welche aus jeder der 
betreffenden 59 Exnerschen Karten ein Luftdruckwert entnommen wurde?), Im 
Gegensatz zur Darstellung F. M. Exners wurden hier Linien nach Millibarstufen 
gezeichnet, Wesentliche Besonderheiten bzw. Abweichungen gegen die allge- 
meinen Verhältnisse sind auf Karte 1 nicht erkennbar; zudem darf auf kleinere 
Einzelheiten kein großer Wert gelegt werden wegen des verhältnismäßig weit- 
maschigen Punktnetzes. Hervorgehoben sei nur, daß sich bei dem bekannten 
Bild der stationären Druckgebilde der Druckgegensatz zwischen Islandtief und 
Azorenhoch stärker als normal erweist, während die Alöutenzyklone, mit zwei 
Kernen versehen, ebenso wie das sibirische Hoch etwas abgeschwächt auftreten. 
Der Schwerpnnkt der nordhemisphärischen Zirkulation steht demnach über dem 
4) A. Defant, Die Zirkulation der Atmosphäre in den gemäßigten Breiten der Erde. Geo- 
grafiska Annaler, Bd. III, 1921, S. 209—266. — % Die Auslassung des Monat März bat ihren 
Grund in bei früheren Bearbeitungen gewonnenen Erfahrungen über die Einheitlichkeit der allge- 
meinen Bewegungsverteilung.
	        
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