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Full text: 62, 1934

Lettau, H.: Ausgewählte Probleme bei stehenden Wellen in Seen. 15 
Die erste Resonanzbedingung wird jedoch im allgemeinen weniger zur An- 
regung geordneter stehender Schwingungen in Frage kommen, da sie sämtliche 
Einzelwellen, die in ihrer Überlagerung ine beliebige Verbiegung der Wasser- 
oberfläche darstellen lassen, gleichmäßig betrifft. Die zweite siebt gewissermaßen 
dagegen nur eine bestimmte Teilbewegung aus, nämlich diejenige mit dem 
besonderen ganzzahligen Wert », für welchen gilt; » = + De Das Unendlich- 
werden der Ausschläge für solche » wird in der Natur infolge Reibung in einen 
Vorherrschungsbereich der betreffenden Einzelwelle umgewandelt. Es liegt nahe, 
den Satz aufzustellen: Eine nichtperiodische, aber fortschreitende waage- 
rechte Kraft erscheint im Besitze einer ein ganzzahliges Vielfaches 
von oc==)gh betragenden Geschwindigkeit zur Anregung nennens- 
werter Seichesbewegungen besonders geeignet. Der Grundwert c stellt 
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit langer Wasserwellen (Lagrangesche Formel) 
dar, hängt also für jedes Seebecken auf der Erde im wesent- 
lichen nur von der mittleren Tiefe ab, Tabelle 1, 
Tabelle 1 enthält einige Zahlenwerte für Tiefen von 1 bis 
200 m. Als Kräfte der vorausgesetzten Beschaffenheit kommen 
in der Natur ausschließlich meteorologische in Frage, Die 
Grenze der mittleren Geschwindigkeit von Böen und Luft- 
druckstufen (Gewitternasen, Kaltlufteinbrüchen) liegt unter 
30 m/sec. Bei durchschnittlich mehr als 100 m tiefen Ge- 
wässern wird also keine der genannten Erscheinungen in 
Resonanz stehen, sobald ihr Auftreten unperiodisch bleibt. 
Nur bei flacheren Seen können unsere obigen Betrachtungen 
einen praktischen Wert erreichen, Anzunehmen ist jedoch 
auch, daß dabei in der Natur der mittleren Tiefe eine mehr 
als rechnerische Bedeutung zukommen sollte, d. h. unsere Voraussetzung kon- 
stanter Tiefe darf nicht allzu erheblich verletzt werden, — Bleibt die mittlere 
Tiefe unter 25 m, so liegt bei einknotigen stehenden Wellen die kritische Ge- 
schwindigkeit bereits in der Größenordnung nicht ungewöhnlicher Luftbewegungen, 
während für zweiknotige die Grenzfälle erforderlich sind usw. ‚Je flacher ein 
See, um so mannigfaltiger erweist sich die Möglichkeit der Anregung verschie- 
dener Bewegungszustände. 
Die hier rechnerisch abgeleitete Resonanzbedingung *) bestätigt den bei einer 
Bearbeitung der Seiches der ostpreußischen Haffe angedeuteten empirischen 
Befund. Gemessen an der Seltenheit des Auftretens stehender Wellen in diesen 
außerordentlich gleichmäßig 3 bzw. 4 m tiefen Gewässern erfordert die Natur 
eine recht scharfe Erfüllung der Bedingung, vielleicht auch ein Zusammentreffen 
der beiden verschiedenen, wie es jedenfalls für die Pillauer Seiche vom 5. und 
6. April 1931 klar der Fall war [1]**). Die Störung trat damals gemäß den Auf- 
zeichnungen des Danziger Waagebarographen als ausgeprägte Druckstufe in Er- 
scheinung, während ihre Fortpflanzung bei einer gut der Wellengeschwindigkeit 
entsprechenden Größe lag. Eine Untersuchung der stehenden Wellen des Ku- 
rischen Haffes [8] ließ eine Anzahl Beispiele finden, welche in dem Auftreten 
von ein- oder zweiknotigen Schwingungen je nach der Schnelligkeit von Zyklonen- 
verlagerungen dem obigen Satz weitere ziffernmäßige Stützen lieferten. 
II. Beim Frischen Haff weist die Normalkurve drei auffallende Einschnü- 
rungen auf. Die Schwingungsdauern der dadurch bedingten vier Teilbecken 
stimmen rechnerisch auf 2 % miteinander überein, wie ein Überschlag mit den 
Werten einer früher gegebenen Darstellung [1] ergibt. Diese Tatsache wurde 
in der Weise zu deuten versucht, daß den Wasserströmungen bei Seiches 
beckenumgestaltende Wirkungen zugesprochen werden können. Qualitativ ließ 
*) Anmerkung bei der Korrektur: Nachträglich gelangte mir zur Kenntnis, daß 8, E. Stenij 
in einer Abhandlung »Zur Theorie der Wasserschwingungen in einem begrenzten Meeresbecken« 
(Soe, Seient. Fenniea VI. 16, Helsingfors 1932) eine vom theoretischen Standpunkt aus umfassende 
Ableitung derselben Resonanzbedingung erbrachte. 
**) Die Zahlen in eckigen Klammern weisen auf das Literaturverzeichnis am Ende der Arbeit hin.
	        
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