Reichel, E.: Über den Einfluß des Meeres auf Wind, Temperatur und Feuchtigkeit usw. 199
Windregistrierungen, so daß wir über den Gang des Windes auf die wenigen
Terminbeobachtungen angewiesen sind, darüber hinaus aber aus den übrigen
Aufzeichnungen auf den Wind schließen müssen. Dies ist insofern unbedenklich,
als den Bewölkungsbeobachtungen und den Bemerkungen der Beobachter größte
Beachtung geschenkt wurde, so daß Störungen durch andere Einflüsse, wie z. B.
Gewitter, ausgeschlossen sind,
Damit liegt nunmehr eine Reihe von Beispielen für die Wirkung eines See-
windeinbruches auf Temperatur und Feuchtigkeit an unserer Ostseeküste vor,
Die aus den Aufzeichnungen abzulesenden Werte für das Ausmaß dieser Wirkung
stellen wir in der folgenden Übersicht nochmals zusammen, wobei zu betonen
ist, daß die Feuchtigkeitswerte nur als Näherungswerte anzusehen sind,
Unterschiede von Temperatur und Feuchtigkeit vor und nach Seewind-Einbrüchen,
| aT | ar
aT ! ar Ort
Köslin ......, 26. V.32 99 | 25% [dee (Strand) 20. V. 32 | 99 | 35%
Misdror (Strand) | 16, v.32 | 80 06% | 21.V.32 | 99° 35%
17. V. 32 9° 1 35% 13. VIJ. 32 8° ı 45%
Zum Vergleich: Misdroy gegen Carlshagen bei £E= Wind . . . .[6/7.VIL.31| 869° | 46%
Die Temperaturhöchstwerte bewegen sich an den in Betracht gezogenen
Tagen um 30°, nach dem Seewindeinbruch liegt die Temperatur um 20°. Da wir
im Sommer mit einer Meereswärme von rund 17° rechnen müssen, sind die Werte
obiger Tabelle durchaus erklärlich. Da im Mai das Meer noch sehr kühl ist,
andererseits aber über dem Lande durch die oft sehr starke Einstrahlung hohe
Temperaturen erreicht werden, sind in diesem Monat die Erscheinungen des
Seewindes besonders häufig, wie es auch in der Auswahl der Beispiele an-
gedeutet ist.
Or
Häufigkeit, Veränderlichkeit und Mittelwerte von Temperaturen.
Von W, Köppen.
Da es der Klimatologie fast ganz versagt ist, eigene Experimente anzu-
stellen, so muß sie für ihre Erklärungen möglichst vielseitig die Experimente
ausnutzen, welche ihr die Natur selbst vorführt. Mit Recht hat einst Dove
ausgesprochen, daß man in vielem der Meteorologie ihren europäischen Ursprung
anmerke. Das ist seitdem zwar besser geworden, aber noch bei weitem nicht
vorüber. Sehr vorteilhaft ist daher in vielen Fällen ein Vergleich der in den
trüben Wintern Europas gefundenen Beziehungen mit den entsprechenden Er-
scheinungen in den heiteren Wintern Ostasiens. Die mittlere Bewölkung ist in
Januar August
Hamburg . 0.0.0.0... 7.6 6.6
Hüttenwerk Nertschinsk . . . 1.8 5.1.
Dove hat 1866 in den Abh. der Berliner Akad. ausgesprochen, es folge „für
Klimate, wo Trübheit vorwaltender Witterungscharakter ist, unmittelbar, daß
die kältesten Winter mehr unter die mittlere Winterkälte fallen, als die mildesten
Winter darüber, umgekehrt hingegen die heißesten Sommer sich mehr über die
mittlere Sommerwärme erheben, als die kühlsten unter dieselbe herabsinken.“
Zur Prüfung dieser Auffassung stelle ich die Abweichung der Monatsmittel
der je vier kältesten und wärmsten Wintermonate aus den Jahren 1881 bis 1918
vom Mittel derselben 38 Jahre!) zusammen (vgl. die nachstehende Tabelle).
Die Zahlen von Berlin bestätigen vollkommen Doves Satz, daß in Deutsch-
Jand die kalten Winter stärker vom Mittelwert abweichen, als die warmen. Aber
die Erklärung durch die mittlere Bewölkung versagt hier, denn auch bei den
heiteren Wintern von Ostasien ist dasselbe nur etwas weniger der Fall, Der
1) Das Ergebnis würde gefälscht, wenn dies nicht das richtige arithmetische Mittel wäre. Deshalb
mußte ich in World Weather Record, dem ich die Zahlen für Nertschinsk entnahm, das Dezember-
mittel aus — 26.1 in — 26.4 verändern,