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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Mai 1934,
Die konvektive Labilität in der Atmosphäre.
Johannes Letzmann, Dorpat.
Vom Standpunkt der Wirbelforschung aus geurteilt muß der Rotations-
bewegung in der Atmosphäre die gleiche Bedeutung zugesprochen werden wie
der Vertikalbewegung. In bezug auf diese sind aber noch mehrere diesbezügliche
Fragen nicht geklärt, darum sollen im vorliegenden und weiteren Beiträgen einige
dieser Fragen näher untersucht werden,
Die Stabilität ruhender Luftmassen. Um den Gleichgewichtszustand in der
Atmosphäre auszudrücken, hat Th. Hesselberg in dieser Zeitschrift!) den Aus-
druck abgeleitet
nr Ya VW
=
wo j die Stabilitätsbeschleunigung, g die Schwerebeschleunigung, y, den adia-
batischen Gradienten, y’ denjenigen der umgebenden Luft nach der geometrischen
Zustandskurve und T die absolute Temperatur bedeutet. Die Dimension dieses
Ausdruckes ist sc-—?, d. h. er ist im allgemeinen Falle nicht mit der Beschleunigung
einer Bewegung im physikalischen Sinne identisch?). Er fällt aber maßzahlen-
mäßig mit einem bestimmten Werte der Beschleunigung zusammen, wenn wir
ihn mit der Strecke von 1 cm multiplizieren, welchen Sinn er auch nach der Ab-
leitung bei Hesselberg hat. Dann drückt er die Auftriebsbeschleunigung aus,
die ein Teilchen erhalten hat, das um 1 cm aus seiner Ruhelage entfernt worden
ist. Er fällt aber maßzahlenmäßig auch mit einem bestimmten Werte der Arbeit
zusammen, wenn wir j mit 1 gem multipliziert denken. Dann drückt er den
Betrag an Arbeit aus, der frei wird bzw. geleistet werden muß, wenn eine Ein-
heitsmasse der Luft aus ihrer Ruhelage um eine Einheitsstrecke entfernt wird.
Der Ausdruck (1) liefert eine stetige lineare Kurve, die beim adiabatischen
Werte des Gradienten (y’ = 7.) durch den Nullpunkt geht. Sie gibt somit den
Übergang vom stabilen zum labilen Gleichgewicht wieder, wobei dem indiffe-
renten Fall j = 0 entspricht. Sie drückt aber als lineare Größe die Verhältnisse
im kritisch-labilen Falle (y’= 3.4° auf 100 m) nicht aus, bei dessen Überschreiten
bekanntlich das statische Gleichgewicht als Auftrieb einer einzelnen Luftmasse
seinen Sinn verliert, weil eine Umlagerung ganzer Atmosphärenschichten von
selbst eintritt.
Es fragt sich nun, welche dieser drei Größen, die durch (1) wiedergegeben
werden können, ist als Ausdruck der Stabilität am zweckmäßigsten? Da die
Arbeit an eine Strecke gebunden ist, kommt sie hierbei nicht in Frage, aber
auch die Beschleunigung als Streckenwert kann nicht in Betracht kommen, denn
sie ist in der Ausgangslage stets, sogar bei kritisch-labilen Gradienten, gleich Null,
Wenn wir den Auftrieb unmittelbar aus den Dichteverhältnissen ableiten,
muß in die Formel der Stabilität S neben der horizontalen Dichtedifferenz auch
die vertikale eingehen, daher wählen wir als Ansatz zur Berechnung der Stabilität
folgenden dimensionslosen Ausdruck:
© — g'
Ss = (2)
wo 0, die Dichte im aufsteigenden Strom (adiab. Temperaturabnahme), go’ die-
jenige in der Umgebung (geom. Zustandskurve) und 0, diejenige am Boden
ausdrückt.
Hiermit wird die Stabilität durch das Verhältnis des Dichteunterschiedes
in der waagerechten zu denjenigen in der senkrechten Richtung ausgedrückt‘).
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1) Th, Hesselberg, Die Stabilitätsbeschleunigung im Meere und in der Atmosphäre. Ann. d.
Hydr. u. Marit. Meteorol. 57, 273, sowie daselbst 46, 118. — 2) Als Stabilität wird daselbst der Aus-
nf
druck E = Te - definiert, der sich nur durch einen Zahlenbeiwert von j unterscheidet und die
Dimension cem— hat. — ®%) Als Ausdruck der Stabilität kann auch das umgekehrte Verhältnis benutzt
werden; dann ist bloß die physikalische Deutung der Kurve eine andere, während die ausgedrückten
Verhältnisse dieselben sind.