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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Mai 1934,
Bewegung des nordatlantischen Tiefenwassers in 2000 m Tiefe 7.3 km/24 St, in
3000 m sogar 8.8 km ergeben hatten, während bis dahin die Vorstellung von der
„kriechenden, säkularen Verschiebung“ des Tiefen- und Bodenwassers herrschend
gewesen war: Schott 0.06 km/24 St, Forch 0.009 km/24 St. Wüst selbst äußert
sich über die Größenordnung der zu erwartenden Bodenstrom-Geschwindigkeiten
nicht, doch finden wir an anderer Stelle!) von Defant den Wert 10 cm/sek an-
gegeben, d.s. 8.6 km/24 St, eine in der Tat überraschende Bestätigung für die
Richtigkeit der früheren Annahmen von Merz und Wüst!
Anders steht es mit den Ergebnissen, die sich hinsichtlich der Frage der
vergleichenden dynamischen Bewertung von t und S in den ozeanischen Tiefen
aus der neuen Arbeit von Wüst ableiten lassen, Merz und Wüst hatten 1922
folgenden Standpunkt eingenommen *).
„Wir kommen zu dem Ergebnis, daß die Zirkulation zwischen der Nord- und
Südhälfte des Ozeans durch die Verschiedenheit des Salzgehaltes bedingt ist“ — ein
Befund, der nach dem vorherigen Absatz der betr. Abhandlung offenbar auch hinsichtlich des
Bodenstromes gelten sollte: „... die Tatsache, daß das abgekühlte Polarwasser teils
an der Oberfläche, wenn es salzarm ist, teils am Boden abfließt, wenn es salzreich ist“!
Noch schärfer vertrat Defant 19283) die gleiche Ansicht: Zn der ozeanischen Strato-
sphäre ist die schwache Zirkulation „in erster Linie durch die örtlichen Ver-
A des Salzgehaltes, nicht mehr aber der Temperatur be-
INNE”
Demgegenüber wurde in den Ann. d. Hydr. 1927 (S. 142f.) geltend gemacht,
daß es nicht zulässig sei, den Tiefsee-Einfluß von t und S auf die Dichte (m.
a. W. auf die Druckverhältnisse) nach den auf Oberflächendruck reduzierten
5-Werten zu beurteilen, vielmehr müßten solchen Untersuchungen die wahren
druckbedingten Tiefendichten og zugrunde gelegt werden; dann zeige sich,
jaß selbst in der von Merz und Wüst behandelten, für ihre Ansicht besonders
zünstigen Tiefenstufe 2000/4000 m — hier sollte der Einfluß des Salzgehaltes
in den horizontalen Auswirkungen den der Temperatur fast um das Doppelte
übertreffen! — der At-Einfluß auf 4g den von 4S immer noch um das
L.15fache übersteige. Hinsichtlich der vertikalen Druckänderungen wurde
die Frage 1928 in den Ann. d. Hydr. weiter verfolgt (S. 280ff.), und zwar nun-
mehr auch an Hand von „Meteor“-Messungen, Das Ergebnis war (a. a. O, S. 283,
Tab. 2), daß eine Schicht des Überwiegens des S-Einflusses auf die vertikalen
Druckänderungen unter 5° N-Br. in der Tiefenstufe 800/1400 m, und zwar nur dort,
festgestellt wurde. — Die für die ozeanische Dynamik immerhin recht wichtige
Streitfrage läßt sich jetzt mit Hilfe von Wüsts neuen Karten auch hinsichtlich
der horizontalen Auswirkung in den abyssischen Tiefen entscheiden. Ich
berechne mittels des Merz-Wüstschen Verfahrens von 1922 aus den horizontalen
x Streuweiten von tstu und S der Wüst-
abelle 2, w
_ ZU schen Karten folgende angenäherten
Tiefe in m: | 4000 | 5000 | 6000 } Einfluß-Werte (Tabelle 2).
A —- X Das Ergebnis ist: im Boden-
Ag-Änderungen in Einheiten der 3. Dezimale wasser (4000/6000 m Tiefe) über-
infolge von At, | 055 : 0.64 0.71 trifft der dynamische Einfluß der
nfolge von AS | 0.25 | 0.25 | 0.25 Temperatur den des Salzgehalts
in der Horizontalen fast bis zum
dreifachen Betrage. Diese der Arbeit von Wüst zu dankende Erkenntnis bedeutet
zweifellos eine völlige Umwälzung der seit 1922 maßgeblichen oben erwähnten
Ansichten. Wüst selbst hat sich ihr anscheinend auch bis zu einem gewissen Grade
nicht verschließen können: „Im Bodenwasser erweist sich die potentielle Temperatur
als der feinere Indikator“ (S. 50); auf „tp“ komme ich weiter unten noch zurück,
Mit seiner Beilage VII liefert uns Wüst dreizehn sehr lehrreiche Temperatur-
Querschnitte (Ost— West) für die Tiefe 3000/6000 m. Die abyssische Sprung-
schicht kommt auch in ihnen vielfach gut zum Ausdruck. Die ausgeprochene
») „Naturwissenschaften“, 18, 3, 33, S. 612, — ?) Zschr, Ges. Erdk, Berlin 1922, S. 25. — *%) Zschr.
Ges. Erdk. Berlin, Hundertjahr-Bd., S. 470; vgl. auch S. 486 sowie „Drnam. Ozeanogr.“ 8. 157 u, 147.