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Full text: 62, 1934

Scherhag, R.: Die Entstehung des Ostsee-Orkans vom 8, und 9. Juli 1931, 153 
auf der mittleren Ostsee ein Orkan tobte, der noch den ganzen Tag über an- 
hielt. Das Sturmfeld reichte bis zur Nordsee, wo zahlreiche Stationen in der 
Deutschen Bucht Windstärke 11 beobachteten, 
Die Bodenbeobachtungen, 
Es handelt sich um die plötzliche Vertiefung einer Ostseedepression, wie 
wir sie fast in jedem Sommer einige Male erleben. Wir werden in den nächsten 
Mitteilungen sehen, daß die Entstehung dieser auf der Zugstraße V b ziehenden 
Tiefdruckgebiete in jedem Falle sehr ähnlich verläuft. 
Dem hier untersuchten Sturmwirbel gingen vom 5. bis 7. Juli starke Ge- 
witterregen voraus, die ganz Deutschland erhebliche Niederschläge brachten. 
Diese Gewitter traten an der Grenzfläche einer sehr warmen südöstlichen Luft- 
strömung und einer kälteren von Westen vordringenden Luftmasse ein, wobei 
die Grenzfläche mehrfach hin und her schwankte und zwei Tage in der Nähe 
von Hamburg lag. An der Begrenzungszone der verschiedenen Luftmassen lag 
über Deutschland zunächst nur ein flaches Tief. Der westlichen Kaltluft gelang 
erst am Mittag des 7. Juli der endgültige Durchbruch nach Osten, wobei sich 
über Hamburg ein besonders schweres Gewitter entlud. Zu dieser Zeit prallte 
eine heiße Ostströmung (Warnemünde E 5, -+27°) unmittelbar gegen kalten 
West (Hamburg WSW 5, -+17°. 
Das mitteldeutsche Minimum beginnt sich in der Nacht — wie alle Tief- 
druckgebiete dieses Typus — stärker zu vertiefen und liegt am Morgen des 8, 
mit seinem Kern von 995 mb über Rügen (vgl. die Wetterberichte der Deutschen 
Seewarte). Auf seiner Südseite ist die Kaltluft zungenförmig bis nach SE- 
Deutschland vorgedrungen, während es auf der Ost- und Nordseite des Tiefs 
recht warm ist. Hamburg hat kaltes Wetter mit anhaltendem Regen, der an 
diesem Tage noch eine Wasserhöhe von 37 mm erreichte, nachdem die voran- 
gegangenen Gewitter bereits eine Niederschlagsmenge von 37 mm geliefert hatten. 
Bis zum Abend des 8, tritt eine weitere Verstärkung des Ostseewirbels ein, 
der Druck fällt im Zentrum von 995 auf 985 mb und in der folgenden Nacht 
unter 980 mb. Diese rasche Entwicklung zum Orkanwirbel, dem zwei Segelboote 
zum Opfer fielen, konnte aus den Bodenwetterkarten und den Luftmassen- 
vetrachtungen nicht vorher gesehen werden. Wenn auf der Wetterkarte des 
Norwegischen Meteorologischen Instituts zu Oslo das Tief nur über Polen noch 
von einem ganz schmalen Warmsektor begleitet ist, so könnte diese Tatsache ja 
gerade zu der Anschauung verleiten, daß nur noch eine geringe Vertiefung zu 
erwarten sei. Es ist ein glücklicher Zufall, daß vom 8,, als sich das Tief gerade 
im Zustand der größten Energiezunahme befand, ein reichhaltiges aerologisches 
Material vorliegt, dessen nachträgliche Verarbeitung einen Überblick über die 
in den höheren Luftschichten vor sich gehenden physikalischen Prozesse gestattet. 
Die Höhenbeobachtungen, 
Zur Untersuchung der aerologischen Verhältnisse versagt bei einer Wetterlage wie der hier be- 
;rachteten das heute am meisten berücksichtigte Element vollständig: der Höhenwind. Kine dichte 
Wolkendecke und anhaltender Regen machen das Hochlassen oder Verfolgen von Pilotballonen gerade 
‘m wichtigsten Teil der Zyklone unmöglich. Hier helfen uns allein die Wetterflugzeuge, aus 
deren Aufstiegsergebnissen man die Höhen der Hauptisobarenflächen nach dem Vorgange von 
Bjerknes berechnen kann. Leider wird eine Darstellung der Druckverteilung in den oberen Luft- 
schichten noch fast gar nicht angewandt, trotzdem die Möglichkeit dazu in letzter Zeit sogar im täg- 
ichen Wetterdienst durchaus gegeben ist, wo bis 12 Uhr ein so umfangreiches aerologisches Material 
aufgenommen werden kann, daß die Höhenwetterkarten den größten Teil Mitteleuropas umfassen 
zönnten, Seit Bjerknes!) umfangreichen aerologischen Darstellungen vieler internationaler Tage hat 
lediglich die Deutsche Seewarte in den Jahren 1920 und 1921 zuweilen im Wetterbericht Höhen- 
sobaren veröffentlicht, die damals aber aus den Bodenwerten berechnet werden mußten, Dies zeigt, 
welche Bedeutung man schon früher dem regelmäßigen Entwurf von Höhenwetterkarten beigemessen hat! 
In Abb. 1 (Tafel 17) geben die ausgezogenen Linien die absolute Topographie 
der 1000 mb-Fläche (in dynamischen Metern) wieder, Da einer Druckabnahme 
von 5 mb angenähert eine Höhendifferenz von 40 m entspricht, sind die Linien 
1 Veröffentl. d. Geophys. Instituts d. Universität Leipzig, 1. Serie. Synoptische Darstellung 
atmosphärischer Zustände. Jahrg. 1910 u. 1911, Heft 1—4.
	        
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