Thorade, H.: Die Gezeitenwelle des Atlantischen Ozeans,
Doch zurück zu Defant!
Auf Grund der Ausmessung des Atlantischen Ozeans durch Sterneck rechnet
er von neuem theoretisch die Gezeiten mittels numerischer Integration durch,
als ob es Sich um die selbständigen und die Mitschwingungsgezeiten eines
„schmalen“ Kanals handelte, und scheidet die Erdumdrehung dadurch aus, daß
er sich auf die Mittelachse des Ozeans beschränkt. Als wesentliche Änderung
gegenüber den früher genannten Arbeiten in dieser Zeitschrift jedoch nimmt er
an, daß die Eisbedeckung des Polarmeers die in dieses eindringende Welle durch
die überaus starke Reibung größtenteils vernichtet, so daß sie nicht zurück-
geworfen wird und mit der ankommenden interferieren kann; damit würde sich
dann auch erklären, weshalb die Flutwelle im Südatlantischen Ozean ziemlich
rein als fortschreitende Welle ausgebildet ist, Die Konstanten der Integration
werden bestimmt mit Hilfe der Gezeiten- Fig. 1.
beobachtungen auf den der Mitte nahe-
liegenden ozeanischen Inseln der Azoren
gruppe und Tristan da Cunha, und es
ergibt sich erträgliche Übereinstimmung
in Amplitude und Phase (Nr. 4, Tafel 1)
mit den Beobachtungen auf den anderen
Inseln und mit den Flutstundenlinien
Sternecks (s. nebenstehende Figur). Der
Ozean verhält sich also, wenigstens in seiner
Mittellinie, ähnlich einem schmalen Kanale.
Auch die Phasen der beobachteten Ge-
zeitenströme fügen sich dieser Theorie
ein und bestätigen sie; nicht aber stimmt
die Amplitude, die in Wirklichkeit be-
trächtlich größer ist als in der Theorie;
doch auch dieser Widerspruch klärt sich
auf, da die Wirkung der Erdumdrehung
nicht in Rechnung gezogen war, von der
nachgewiesen wird, daß sie zu einer Ver-
stärkung der Ströme führen muß. Legt
man die so bestätigten Zahlen zugrunde,
so läßt sich für die selbständigen und
die Mitschwingungsgezeiten längs der
Mittelachse die durch Nr, 5, Taf. 1 dar-
gestelite Verteilung der Amplituden (halben
Hubhöhen) ableiten, Danach müßte man
die anfangs gestellte Frage dahin beant-
worten, daß die atlantischen Gezeiten
ein Gemisch von selbständigen und
Mitschwingungsgezeiten sind, daß
aber die letzteren überwiegen; rechnet mau Mittelwerte aus, so bekommt
man für die durchschnittlichen Höhen beider Wellen ein Verhältnis von
etwa 2:3.
Hinsichtlich der ganztägigen Gezeiten sind die Ergebnisse spärlicher; es
kommt hinzu, daß ihnen ein ausgesprochener halbjährlicher Gang eigen ist, und
daß deshalb ein Vergleich der zu verschiedenen Jahreszeiten besuchten Anker-
stellen untereinander nicht so einfach ist, Es sei darum auf die Arbeit selbst
verwiesen,
4. Die inneren Gezeitenwellen. — Um Schwankungen von Temperatur, Salz-
gehalt usw, fortschaffen zu können, wurden, anfangs in oft dreistündigen, später,
als man auf den periodischen Charakter der Schwankungen aufmerksam geworden
war, in einstündigen Zeitabständen, die Reihenmessungen auf den Ankerstationen
wiederholt. Ihre nähere Untersuchung macht einen Hauptteil des Defantschen
Werkes aus, An der Meeresoberfläche handelt es sich zunächst um den täglichen
Gang; bisher lagen nur Beobachtungen von treibenden oder fahrenden, nicht
ha