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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, März 1933.
wärtswandern des Bogens feststellbar. Bis etwa 1820 lag der Scheitel des
Bogens noch oberhalb des Dorfes Borkum, das von breiten Dünenketten gegen
Westen geschützt war (Charte von der Insul Borckum, von J. H. Magott. 1755,
Staatsarch. Aurich, Inseln Nr. 82), Dann rückte mit der Ausarbeitung des Mäander-
bogens der Scheitel des Bogens weiter seewärts und legte sich querab vom
Dorf. Im Nu schwanden die breiten Dünenketten dahin, und gewaltige Strand-
schutzwerke waren die notwendige Folge. Heute ist der Scheitel schon wieder
weiter seewärts gerückt; der südlichste Teil des Borkumer Riffs bildet heute den
Prallhang des Bogens. Der Westsaum des Riffs ist fortgespült worden, und das
Riff selbst ist weiter nach Osten gedrängt. Leider ist dadurch der Wasserarm,
der sich zwischen Riff und Strand hindurchwindet, die Strandbalje, stark ein-
geengt worden und gefährdet nun seinerseits den Nordweststrand von Borkum.
Das Ostufer der Unterems ist von einigen Meeresbuchten zerklüftet, die jedoch
zum größten Teil wieder verlandet sind. Unsere Untersuchung bestätigt über ihre
Entstehung das, was Wildvang über sie geschrieben hat (25). Die drei Buchten
sind: 1. Die Leybucht, 2. Die Bucht von Sylmönken, 3. Die Bucht von Kampen.
Die Leybucht liegt im Gebiet der OÖsterems, die Buchten von Sylmönken
und Kampen im Gebiet der Westerems. Wir haben allein für die Geschichte
der Leybucht zuverlässige Daten. Als wichtigste Zahl sei das Jahr 1377 erwähnt,
in dem das Dorf Westeel vor der hereinbrechenden Leybucht geräumt werden
mußte, Die zeitliche Übereinstimmung mit dem Einbruch der Osterems (zwischen
1100 und 1398) ist augenfällig. Auffällig ist aber der schnelle Wechsel zwischen
Einbruch und Wiederverlandung bei der Leybucht. Denn schon nach 100 Jahren
wurde der erste Polder wieder eingedeicht. Wir kennen andere Buchten, die
lange Jahrhunderte offen geblieben sind, wie z. B, die Harlebucht (10). Man kann
sich den Vorgang so vorstellen, daß der Stoß der Flut nur so lange mit größter
Wucht in die Leybucht hinein gerichtet war, wie die Osterems noch nicht voll-
ständig bis zur Westerems durchbrochen war. Als der Durchbruch vollendet
war, führte die Strömungsrichtung der neuen Osterems an der Mündung der
Leybucht vorüber, diese geriet in den Stromschatten und konnte schnell wieder
yerlanden. Ebenso werden die Buchten von Sylmönken und Kampen entstanden
sein, als der Flutstrom durch die Westerems in voller Wucht, ohne durch die
Osterems abgelenkt zu werden, auf die Küste Ostfrieslands gerichtet war, Mit
dem Zeitpunkt, wo die Osterems als mitbestimmender Faktor in die Geschichte
der Ems eintrat, wurde die Strömung der Westerems von Pilsum abwärts nach
Süden abgelenkt, und beide Buchten gerieten in Stromschatten und verlandeten
sbenfalls. Über die Datierung der beiden Buchten ist nichts bekannt, ebenso
wie über ihre Wiederverlandung. Sicher ist nur, daß die Wiedereindeichung
lange nach 1000 geschah. Die einzelnen Eindeichungsstadien sind noch fest-
stellbar, und Deiche hatte man in Ostfriesland erst nach 1000. Aus dieser
einzigen Angabe lassen sich aber für die hydrographischen Zusammenhänge
keine festen Anhaltspunkte gewinnen. Der Einbruch des Dollart seit 1362 hat,
wie oben erwähnt, seine Ursache darin, daß mit der Auflösung des alten Bant
und dem Durchbruch der neuen Österems größere Wassermengen mit der Flut
stromaufwärts drangen als vorher, die den Emder Mäanderbogen durchbrachen.
Zusammenfassung.
Die Mäanderbogen, in denen die Ems als Binnenlandfluß geflossen ist, lassen
sich seewärts bis an den heutigen Inselsaum verfolgen. Seit 300 vor Chr. Geb.
haben sich die Verhältnisse an der ostfriesischen Küste grundlegend geändert.
[nfolge der Küstensenkung wurde die Küstenlinie zurückgedrängt, und die Gezeiten
drangen allmählich den Fluß immer weiter aufwärts, Infolgedessen wurden die
Bogen der Mäander von Sehnen durchstoßen. Diese Durchbrüche sind eine
Wirkung des normalen Flutstroms. Wie die Mäanderbogen eine Funktion des
Flusses sind, so sind die Durchbrüche durch die Bögen eine Funktion des in
den Fluß eindringenden Flutstroms,
Für die Geschichte der Unterems war in stärkstem Maße die Osterems mit-
bestimmend, die zwischen 1100 und 1898 entstand, bis etwa 1650 organisch zum