Windberg, F.: Zur Geschichte der Unterems,
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Alten Ems, während die Sehnen, die die Bogen durchschneiden, den Namen „Gat“
tragen: Ostfriesisches Gatje, Dukegat, Randzelgat. Selbstverständlich drängt sich
hier entsprechend der Untersuchung des Oberlaufes der Ems die Vermutung
auf, daß auch hier historisch gesehen ein Nacheinander, nicht ein Nebeneinander
vorliegt. DaB also erst die Bogen dagewesen sind, die ja heute noch den Namen
„Ems“ tragen, und daß erst später die „Gaten“ durchgebrochen sind,
Prüfen wir die geschichtlichen Quellen. Es liegen sowohl Landkarten wie
Seekarten vor. Die Landkarten der älteren Zeit gehen, wie Bartels (4) nach-
gewiesen hat, sämtlich bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts auf Ubbo Emmius
zurück, den großen ostfriesischen Geschichtsschreiber, der seiner ostfriesischen
Geschichte eine Karte Ostfrieslands beigefügt hat. Ubbo Emmius jedoch hat, so
sorgfältig er das feste Land kartiert hat, ebenso oberflächlich das Watt und
die Fahrwasser aufgenommen. Wir können somit seine Karte und deshalb auch
die übrigen Landkarten bei dieser Untersuchung der Ems vernachlässigen. Wir
beschränken uns allein auf die Untersuchung der Seekarten.
Die älteste vorliegende Seekarte der Ems ist die des Lucas Jans
Wagenaer (27), eines Holländers. Wagenaers Karte (vgl. Karte 2) stammt aus
dem Jahre 1584. Wir müssen zuerst ihren Genauigkeitswert feststellen. Auf den
ersten Blick sind die Gesichtspunkte zu erkennen, die ihn bei der Zeichnung
seiner Karte geleitet haben. Er hat die Küsten durchaus verzeichnet, schließt sich
also an irgendeine der damals gängigen Landkarten an. Die Fahrwasser gibt
er stark schematisch, jedoch mit genauen Tiefenangaben und genauer Betonnung.
Nebenarme vernachlässigt er vollständig. Sie sind für ihn einfach nicht vor-
handen, weil sie für Seeschiffe nicht wichtig waren. Und für diese war die
Karte augenscheinlich bestimmt. Als Beweis möge eine Betrachtung des Juister
Watts dienen. Hier gibt er außer dem Hauptfahrwasser, der heutigen Bants-
balje, keinen Wattenarm, obwohl wir — wenn auch 80 Jahre später — aus
einem Bericht an die Regierung wissen, daß das Watt in ähnlicher Weise zer-
klüftet war, wie es heute ist. Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß erst
in den 80 Jahren nach Wagenaers Karte die Zerklüftung des Watts eingetreten
ist. Wir können vielmehr aus mancherlei Gründen mit Sicherheit annehmen,
daß das Watt zwar nicht in den Einzelheiten, wohl aber prinzipiell immer so
ausgesehen hat wie heute, seit es als Watt existiert. Um 1600 hat das Juister
Watt schon mehrere Jahrhunderte in der Ausdehnung bestanden, die es heute
etwa hat, wie diese Untersuchung zeigen wird; es hat dort also bestimmt schon
viele Wasserläufe gegeben. Wagenaer läßt alle diese kleineren Wasserläufe
als für seine Zwecke unwichtig fort. Damit fällt er für uns aus als Quelle für
die Frage, ob es damals schon Nebenarme der Ems gegeben hat. ;
Die nächste Karte, die wir haben, stammt aus dem Jahre 1642. Sie ist von
dem Emder Ratsherrn Martin Faber (so) im Auftrage des Emder Magistrats
gezeichnet worden (vgl. Karte 3), Die Veranlassung zu ihrem Druck war die
Tatsache, daß sich das Außenfahrwasser westlich vor Borkum wieder einmal ver-
worfen hatte, wie es das bis auf den heutigen Tag zu tun pflegt und auch früher
immer getan hat. Denn das Fahrwasser, das 1642 neu betonnt wurde, trug
damals bereits die Bezeichnung „Alte Ems“, Es muß also früher schon einmal
Fahrwasser gewesen sein. In seiner Lage würde es dem heutigen Hubertgat
entsprechen.
Um Fabers Genauigkeit nachzuprüfen, haben wir ein vortreffliches Mittel
dadurch in der Hand, daß zufällig in derselben Zeit, 1650, also bloß acht Jahre
später, der obenerwähnte ausführliche Regierungsbericht erschienen ist über
den Erhaltungszustand der Inseln und Maßregeln zu ihrer Befestigung (s). Der
Verfasser des Berichts ist unbekannt. Im Zusammenhang des Berichtes wird bei
der Insel Juist eine ausführliche Schilderung der Baljen des Wattenmeeres
gegeben. Diese deckt sich bis in die Einzelheiten mit der Faberschen Karte.
Die Vermutung ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, daß der ungenannte
Verfasser des Regierungsberichts von 1650 die Fabersche Karte benutzt hat.
Er hätte sogar fahrlässig gehandelt, wenn er, mit der Abfassung eines so wich-
tigen Gutachtens betraut, sie nicht benutzt hätte. Aber daneben treten viele
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