62 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, März 1933.
der Wasserführung der Ems feststellen. Geschichtlich liegen beide Stadien, das
des Bogens und das der Sehne, nacheinander, Erst war der ungestörte Bogen,
dann Bogen und Sehne gleichzeitig, und schließlich die Sehne allein in Tätigkeit.
Um einwandfrei die Ursachen dieses Vorganges freizulegen, müssen wir auf
die hydrographischen und geologischen Verhältnisse näher eingehen. Die Wasser-
menge des Flusses bleibt im großen ganzen dieselbe, denn unterhalb der Leda gibt
es keinen nennenswerten Nebenfluß mehr. Die geologischen Untersuchungen (20)
haben folgendes ergeben: Auf beiden Ufern wird das Emsbett in weitem Ab-
stande von diluvialen Höhenrücken begleitet. In der Nähe des Emsufers selbst
steht jedoch das Diluvium nirgends an, Die Tiefe, in der man es erbohrt, wird
vielmehr, je mehr man sich dem Ufer nähert, um so größer. Der diluviale
Untergrund scheidet in diese Betrachtung also aus als mögliche Ursache. An
den Ufern selbst ergeben Bohrungen überall etwa dasselbe Profil: mehrere
Torfschichten übereinander, getrennt durch eingelagerte Tonschichten. Der Torf
entspricht geologisch einer Periode der Bodenhebung, der Ton einer Periode
der Senkung (19). Über das Ausmaß der vorgeschichtlichen Senkung der Nordsee-
küste sind wir unterrichtet durch die Torflager, die auf dem Boden der Nordsee
angetroffen worden sind. Es finden sich vor der ostfriesischen Küste Moore
auf der Tiefe von 46 m, 20 m, 10 m und auf Springniedrigwasser. Die oberste
Tonschicht des Profils gliedert sich wieder in zwei Unterabschnitte: Im unteren
Teil ist der Ton aus fluviatilen Bestandteilen aufgebaut, darauf liegt dann eine
Decke von marinem Ton. Es hat also eine Zeit gegeben, in der die Ems nur
Süßwasser führte und noch völlig den Charakter eines Binnenlandflusses trug.
In dieser Zeit müssen Mäanderwindungen auch noch weiter fiußabwärts, see-
wärts, vorhanden gewesen sein als heute. Dann senkte sich die Küste immer
tiefer, und allmählich drang das Wasser der Gezeiten den Fluß aufwärts und
lagerte die Schicht marinen Tons über dem fluviatilen Ton ab.
Wenden wir diese Erfahrungen auf die Unterems an, so ist die Frage nicht
mehr: Wie sah ihr Lauf aus? Wir können vielmehr schon als sicher unter-
stellen, daB einmal weitere Windungen den beschriebenen gefolgt haben, und
haben nun diese Mäanderwindungen und die dazugehörenden Durchbrüche auf-
zusuchen.
Vorausgeschickt sei eine kurze Beschreibung des Emsbettes unterhalb Emdens
(vgl. Karte 1). Die Ems wendet sich bei der Knock auf die holländische Seite
hinüber und fließt, ohne einen Wattenstreifen als Gürtel, im Bogen unmittelbar
unter dem holländischen Deiche entlang. Bei Watum entfernt sie sich allmählich
von der holländischen Seite und strebt nunmehr dem deutschen Dorfe Pilsum
zu. Hier macht sie wieder einen deutlichen Bogen und wendet sich dann südlich
am Randzel entlang wieder dem holländischen Ufer zu. Langsam biegt sie als
„Alte Ems“ in einem großen Bogen über Nordwesten wieder in die Nordrichtung
um. Dann läuft sie am Rottumer Watt entlang, strebt darauf wieder der deutschen
Insel Borkum zu und ergießt sich schließlich in einem neuen Bogen, der über
Nordwesten nach Westen umbiegt, in die See... Das sind im ganzen vier Mäander-
windungen: das Delfzyler Fahrwasser nach links, das Pilsumer nach rechts, die
Alte Ems nach links und das Fahrwasser unter dem Borkumer Strande nach
rechts. Jedoch schon bei der Knock gabelt sich von der Delfzyler Windung
östlich ein Nebenarm ab, der sich unterhalb Watum wieder mit dem Delfzyler
Arm vereinigt. Er heißt das „Ostfriesische Gatje“ abgekürzt genannt „das
Gatje“. Vom Pilsumer Fahrwasser trennt sich westlich ein abkürzender Arm
ab. Er läuft als „Dukegat“ nach Nordwesten und trifft die Ems südlich des
Randzels wieder. Neben der Alten Ems läuft östlich das Randzelgat, das kurz
oberhalb Borkums in die Alte Ems wieder einmündet. Es laufen also jeweils
nebeneinander das Delfzyler Fahrwasser und das Gatje; das Pilsumer Wasser
und das Dukegat; die Alte Ems und das Randzelgat.:
Behrmann (6) hat diese Nebeneinander je zweier Arme schon als auffallend
bemerkt.
Als auffallend ist zu bemerken, daß der Name „Ems“ nur an den weit-
geschwungenen Bogen haftet, den Rinnen unter Delfzyl und Pilsum und der