Defant, A.: Zur Erklärung der Seiches des Schwarzen Meeres.
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wir im Falle des Schwarzen Meeres längst die Grenze überschritten haben, bis zu der
man den Einfluß der ablenkenden Kraft der Erdrotation vernachlässigen kann, und
es könnte leicht sein, daß die Periodendauern von 6.4bh und 5.5h — die 7.4b-Welle
ist wohl ohne Zweifel .eine Schwingung der Bucht von Odessa — Seiches des
Schwarzen Meeres sind, die unter Einfluß der Erdrotation stehen. Diese Mut-
maßung stützt sich auf folgende theoretische Überlegungen, die für ein kreis-
förmiges Becken!) gelten. Analoges wird auch für die Becken elliptischer
Form gelten, und als ein solches können wir in erster roher Annäherung das
Schwarze Meer (ohne Bucht von Odessa) ansehen.
Neben anderen Schwingungsformen (kreisförmige Knotenlinien) tritt als
besonders interessante Schwingungsart jene auf, in der ein Schaukeln der Wasser-
masse von der einen Hälfte der kreisförmigen Schicht nach der anderen Hälfte
an einem Durchmesser als Knotenlinie stattfindet. Die Lage dieses Knoten-
durchmessers bleibt, da die Seiches freie Schwingungen sind, willkürlich. Wäre
die Begrenzung elliptisch, so wäre sie durch die große bzw. kleine Hauptachse
der Ellipse eindeutig gegeben.
Die Periode dieser längsten Schwingung folgt aus der Gleichung
HS _ 184,
° Yan
worin 0% = a der Radius der kreisförmigen Begrenzung und h die Tiefe des
Beckens ist. Dies gilt, solange das Becken nicht rotiert. Für ein mit der
Winkelgeschwindigkeit « rotierendes Becken werden die Verhältnisse viel
komplizierter, Es zeigt sich, daß eine einfache stehende Welle (Schaukelbewegung)
dann nicht mehr möglich ist, und daß sich diese stehende Welle bei Rotation in
zwei Drehwellen mit dem Zentrum in der Mitte des Beckens auflöst. Diese Dreh-
wellen wandern mit verschiedener Winkelgeschwindigkeit im Becken herum, auch
ihre Periode ist deshalb verschieden. Der Unterschied hängt in erster Linie von
einer Größe
2)
4@w?at
8= zb
ab, und zwar findet man zunächst: Wenn ß = 0 ist (Fall der Ruhe), haben die
Winkelgeschwindigkeiten beider Wellen denselben Wert, die Wellen superponieren
sich zu einer einfachen stehenden Welle, Wächst ß von Null an, dann werden die
Winkelgeschwindigkeiten beider Wellen verschieden, und zwar ist sie für die
Welle, die sich im gleichen Sinne wie die Rotation bewegt (positive Welle), kleiner
als für die Welle, die entgegen der Rotation läuft (negative Welle). Wenn die
Rotation wächst, so werden die beiden Arten von Wellen sowohl in ihrer Gestalt
wie in ihrer Periode mehr und mehr verschieden, Bei genügend großem Wert
von ß nähert sich die Wellenperiode der Periode der Rotation. Dies sind kurz
die Ergebnisse der Theorie.
Der Einfluß der Erdrotation ist für Becken von der Dimension unserer ge-
wöhnlichen Seen verschwindend klein, denn ß ist nur wenig von Null verschieden
{von der Größenordnung < 0.002); die einfache Schaukelbewegung ist die
Schwingungsform der Seen. Wachsen aber die Dimensionen der Wassermasse,
dann wächst auch ß und damit der Einfluß der Erddrehung. Ob bei den
Dimensionen des Schwarzen Meeres ein Einfluß sich bemerkbar macht, wollen
wir versuchen zu erproben an einem Modell eines kreisförmigen Meeres, das im
Falle keiner Rotation dieselben Schwingungsdauern hat wie das Schwarze Meer.
Die Gleichungen (1) und (2) lassen sich vereinigen zu
3) 8 = 13,544 SZ,
und, da die Winkelgeschwindigkeit der ‚Rotation in der geographischen Breite ©
ht ist, wird ß = 183.544 (7?) ‚, worin für To die Schwingungsdauer des
Beckens in Stunden einzusetzen ist. Wählt man T,= 6 Stunden, dann wird
1) Siehe hierzu die Theorie der Schwingungen einer kreisförmigen Wasserschicht in: Lamb,
Aydrodynamik, 2. Aufl. 1931, $ 191 und $ 209.