Böhm, E.: Über die Verwendung der sogenannten Kammermannschen Konstanten usw. 367
Wetterlage der Frostperiode vom 10. bis 12, Mai 1927.
9. Mai 1927 (Vortag). Das Luftdruckbild wird durch ein in nordwest -südöst-
licher Erstreckung über Deutschland und Rußland liegendes Hoch bestimmt. Über
dem Nordmeer lagert vorher eine Depression, die sich langsam über den Norden
Skandinaviens nach Osten bewegt. Das deutsch-russische Hoch gewinnt nach
SE langsam Raum. Ein Hoch folgt aus NW, Durch die Abwanderung des
südöstlichen Hochs erfährt die Nordzyklone eine Abänderung ihrer Zugrichtung:
Durch Ansaugen wärmerer Luftmassen, die bereits längere Zeit über dem SW
Europas gelegen haben, verlagert sich das Tief nach SE. Gleichzeitig ist damit
die Ausbildung einer Tiefdruckrinne nordsüdlicher Erstreckung über Mittel-
europa verbunden. Der an der Rückseite der Zyklone angedeutete Kaltluft-
vorstoß verfrachtet Luftmassen polarer Herkunft im Laufe des 9, Mai langsam
nach Süden, Bei gleichzeitiger Druckerhöhung hat die erste Staffel des Kalt-
lufteinbruchs die Station am Abend des 9. Mai erreicht, wo sie auf Luftmassen
maritimer und subtropischer Herkunft stößt.
10. Mai 1927 (Frosttag). Von dem nach dem Norden Rußlands abziehenden
Tief hat sich eine stärkere Randstörung abgesprengt, die vom Abendtermin des
9. bis zum Morgentermin des 10. über die Station hinwegzieht und sich nach
Süden verlagert. Im Zusammenhang damit ist die Hauptstaffel des Kälte-
einbruchs über die Station hinweggegangen und hat der Station Frost gebracht.
Das Isobarenbild zeigt den für die durch Kälteeinbrüche verursachten Maifröste
typischen nordsüdlichen Verlauf.
11, und 12. Mai 1927 (Frosttage). Die Temperatur der Station entwickelt
sich am 11. und 12. Mai ganz unter dem Einfluß polarer Kaltluft. Die Isobaren
verlaufen von Norden nach Süden. Der Transport kalter polarer Luftmassen
kann in seiner ganzen Stärke ungehindert nach Mitteleuropa erfolgen.
Ergebnis für die Prognose, Das vorausgesagte Minimum liegt am
10. Mai um 1.5° zu hoch. Der innerhalb der Termine erfolgte starke Kaltluft-
einbruch erzeugt tiefere Temperaturen, als sie mit Hilfe der Kammermannschen
Konstanten erwartet werden mußten. Die Fröste des 11. und 12. werden als
solche von der Vorhersage erfaßt. Die vorausgesagten Temperaturen für die
beiden Tage liegen um geringes unter dem wahren Minimum, Das angeführte
Beispiel vom 10, 5. ist für ein Versagen der Kammermannschen Formel charak-
teristisch. Das Maß des Temperaturfalls wurde bestimmt durch eine Luftmasse
ganz anderen Typus, die nicht für diese Prognose verwertet werden durfte.
Erst nachdem die Konstanz der neuen Luftmasse durch weiteres Einströmen
gesichert war, lieferte die Vorhersage Treffer.
Wetterlage der Frostperiode vom 15. bis 16. Oktober 1927.
14. Okt. 1927 (Vortag). Das Strahlungswetter, das in Deutschland in einem nach
SE abziehenden Hoch in den Tagen vor dem 14, Oktober herrschte, wird durch eine
Tiefdruckrinne abgelöst, die am 14. Oktober früh über dem mittleren Deutsch-
land, der Ostsee und Südschweden in südwest-nordöstlicher Richtung liegt. Sie
ist als Teilwirbel einer nach Osten wandernden Zyklone unter dem Zusammen-
wirken subtropischer und polarer Luft im Raume Island entstanden. Nach SW
hat sie Verbindung mit den maritimen Luftmassen einer westlich von Spanien
liegenden stationären Zyklone.
15. Okt. 1927 (Frosttag). Die Druckverhältnisse haben sich vom Abend-
termin des 14, Oktober bis zum Morgentermin des 15, Oktober rasch geändert.
Das über der Station gelegene Tief ist dem nach E abwandernden südrussischen
Hoch gefolgt und ist unter geringen Niederschlägen über die Station hinweg-
gezogen. Es liegt um 8% über Mittelrußland. Damit hat sich die Hochdruck-
brücke des atlantischen Hochs nach SE verschoben und lagert, von SW nach NE
erstreckt, über Südschweden und der mittleren Ostsee. An der Rückseite der ost-
wärts ziehenden Zyklone erfolgte an der Station unter Bewölkungsabnahme bei
steigendem Luftdruck ein allgemeines Aufklaren, Die Winde änderten innerhalb
der Termine sprunghaft ihre Richtung von SW nach NE. Damit war im Raume
zwischen Tief und Hoch ein sehr intensiver Kaltlufteinbruch verbunden.