Perlewitz, P.: Meteorol. Horizontal-Navigation durch Vertikal-Navigation im Luftfahrzeug, usw. 365
jedoch noch über den südlichsten Teil der Kieler Bucht und den Fehmarn-
gund nach der Insel Fehmarn, um dort vor Mitternacht an der Ostspitze bei
Staberhuk zu landen.
Im Juni fand eine Weitwettfahrt von Lübeck aus statt (19). Der Wind
wehte nach der Ostsee. Ich fuhr möglichst tief, um nicht schon vorzeitig landen
zu müssen. Der Plan gelang, so daß ich, die Windrichtung genau beobachtend,
mit dem Schlepptau im Wasser, die Neustädter Bucht überquerte und bei
Neustadt das jenseitige Ufer erreichte, während die beiden Wettbewerbsballone
vor der Bucht gelandet waren. An den Windstreifen im Wasser hatte ich von
oben genau die Windrichtung unmittelbar über dem Wasser erkennen können,
so daß eine Gefahr der Rechtsdrehung auf die offene See hinaus bei Tieffahren
ausgeschlossen schien,
Einer Überquerung des Sundes (20) zwischen Kopenhagen und Landskrona
in Schweden bei Gelegenheit einer Wettfahrt von Kopenhagen aus standen keine
Bedenken entgegen, da die Winde stetig auf die schwedische Küste zu wehten, Es
war also auch hier, wie bei den vorgenannten Ballonfahrten, nach den herrschenden
Luftströmungen und unter Zuhilfenahme der Vertikal-Navigation ausgeschlossen,
das jenseitige Ufer zu verfehlen. — Da mit dem Wechsel von Land- und See-
wind nur in den untersten 400 m zu rechnen ist und nur zu bestimmten Zeiten,
so wird man in allen fraglichen Fällen bei Küstenüberquerungen nach Möglich-
keit über dieser Höhe, im Stromfeld der allgemeinen Wetterlage, bleiben.
Größere Aufmerksamkeit und ausgiebigere Verwendung der Vertikal-Navi-
gation zum Zwecke der Horizontal-Navigation des Ballons erforderte eine Fahrt
von Kiel, nördlich Bornholm nach Königsberg i. P. (Abb. 14), auf der
ich 608 km See und einschließlich dreier dänischer Inseln 101 km Land über-
MNog (21), Hierüber habe ich ausführlich in dieser Zeitschrift berichtet!). Ähnliche
Anforderungen an die Vertikal-Navigation erforderte eine Fahrt von Berliner
und Mann am 27./28, 4. 1913 von Dresden (18 Uhr) über Wismar (2 Uhr) nach
Arendal in Norwegen (19 Uhr) und die von Prehm von Berlin nach Hangö in
Finnland.
Zum Schluß muß ich noch auf die Horizontal-Navigation durch Vertikal-
Navigation im Segelflugzeug, als dem jüngeren Bruder des Freiballons, hinweisen.
Wie bei der Ballonführung spielt bei der Führung des Segelflugzeugs der Wind
und seine Änderung mit der Höhe und Zeit die entscheidende Rolle. Der
jüngere Bruder ist aber dem älteren in der Ausnutzung der Luftströmungen
weit überlegen, indem er nicht nur die Horizontalwinde in den verschiedenen
Höhen, sondern mehr noch die Vertikalwinde in weitestem Maße zur Navigation
verwendet und damit auch eine meteorologische Vertikal-Navigation ge-
schaffen hat. Ein Eingehen auf diese, erst seit wenigen Jahren und damals in
fanatischem Glauben an den Luftsegelsport schwer errungenen Erfolge und auf
diese wahre Kunst des Fliegens mit Hilfe der Luftströmungen muß ich aber dem
Fachmann des Luftsegelsports und der Luftsegelwissenschaft überlassen,
Wie der Seefahrer oftmals interessante, mitunter verhängnisvolle Strömungs-,
Wind- und Wetterlagen auf seinen Reisen antrifft und seine Beobachtungen und
Erfahrungen dabei zur weiteren Verwendung der Deutschen Seewarte über-
gibt, so möge auch jeder Luftfahrer, einschließlich der Freiballonführer, seine Luft-
beobachtungen und Ballonbahnen zur weiteren Bearbeitung und Verwertung der
Zentrale zuleiten?). Schiffahrt und Luftfahrt über See hat die Seewarte stets
gefördert. Die aerologischen Forschungen ihrer schon 1903 errichteten Drachen-
station, heutigen Wetterflugstelle und Versuchsanstalt, zeigen dies. Zu diesen
Aufgaben gehören auch wissenschaftliche Beobachtungen auf Ballon-
Fahrten, die die Fortsetzung der 100 Freiballonfahrten des Preußischen Meteo-
rologischen Instituts um die Jahrhundertwende bilden, und von denen hier einige
Ergebnisse vorgelegt worden sind.
iy Annalen d. Hydr. 1933. S., 137. — % Die Ballonführer werden vom Verfasser darum gebeten.
Ann. d. Hydr. usw. 1933, Heft XI/XI.