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Full text: 61, 1933

362 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, November/Dezember 1933, 
zu halten, in der der Wind am stärksten ist; auf die Windrichtung kommt 
es dagegen nicht an, falls nicht Hindernisse, Meer oder vorbotene Grenzen, im 
Wege sind. 
Eine besondere Gattung von Fahrten sind die Rekordfahrten bei selbst- 
gewählter Wetterlage. Sie erfordern genauestes Studium dieser Lage und 
schnellste Ausnutzung, sobald erkannt ist, daß die Wetterlage den Rekordab- 
sichten für Entfernung, Dauer oder Höhe entspricht. Hierhin gehört z. B. die 
Weltrekordfahrt von Berliner für Entfernung von 3052 km (1914), von Kaulen 
für Zeit von 87 Stunden (2800 km, 1913), von Süring über Höhe von 10800 m 
(1902), die von Piccard 1932 mit 16000 m Höhe. 
Zu dieser Gruppe gehören auch Fahrten über Meere oder Meeresteile, über 
die Nord- oder Ostsee, Diese Fahrten sind nur anzutreten, wenn meteorologisch 
erkannt ist, daß die Windlage derartig ist, daß die jenseitige Küste erreicht wird. 
Zu den unglücklich verlaufenen Rekordfahrten (10) gehört der heroische, von 
Fanatismus getriebene Versuch Andrees, das Polargebiet von Spitzbergen aus 
mit dem Freiballon zu überfahren (Juli 1897). Da Andree nur elf Stunden in 
der Luft blieb, aber sich noch 54 Stunden mit dem Korb über das Eis nach 
Ost, West und Nord hin und her schleifen ließ, kann von einer meteorologischen 
Navigation nicht die Rede sein, so daß wir auf diese 480 km-Fahrt Andrees hier 
nicht eingehen, sondern nur ein Bild von der Ballon- und Schleifbahn (Abb, 8a) 
und von der Höhenkurve (Abb, 8b) geben wollen. 
Eine ganz andere Gattung von Ballonwettfahrten sind die Fuchsjagden: 
Ein Ballon, als Fuchs, fährt voraus, die anderen Ballone starten etwa zehn Mi- 
nuten später und müssen möglichst nahe beim Fuchs landen. Der Fuchs ver- 
sucht sich der Verfolgung durch unregelmäßige Vertikal-Navigation zu entziehen, 
während die verfolgenden Ballone den Fuchs genau beobachten und möglichst 
die gleiche Höhen-Navigation durchführen, um die gleiche Bahn zurückzulegen. 
Außerdem müssen die Verfolger die Winddrehungen mit der Höhe genau be- 
obachten, um Abweichungen von der Fuchsbahn durch Höhen-Navigation ver- 
bessern zu können. 
Bei einer solchen Fuchsfahrt mit elf verfolgenden Ballonen (11), die mit Ham- 
burger Erdgas in Neuengamme (1911) gefüllt worden waren, gelang es meinem 
damaligen Führer, indem wir die oben angeführten Regeln befolgten, dem Fuchs 
am nächsten zu landen, 
Eine weitere Art von Ballonwettfahrten, bei denen ebenfalls die Vertikal- 
Navigation für den Erfolg entscheidend ist, sind die Wettfahrten zwischen Ballon 
und Auto, die Verfolgungsfahrten. 
An solchen Fahrten hat nicht nur der Luft- und Autosport Interesse, 
sondern auch der Wehrsport, wenn auch nicht mehr in dem Maße wie früher. 
Das geht aus der Geschichte des Krieges von 1870/71 hervor, wo der Freiballon 
noch eine große militärische Bedeutung hatte. Galt es doch, sich durch Vertikal- 
Navigation der Verfolgung zu entziehen, Aus dem belagerten Paris entkamen 
66 Ballone mit 168 Personen, darunter Gambetta, und 900 kg Briefen; 5 Ballone 
fielen in deutsche Hände, 2 sind verschollen, 
Ballonwettfahrten mit Automobilverfolgung werden in Deutschland recht 
häufig veranstaltet, wobei Ballon oder Auto Sieger sein kann. Für den Ballon 
kommt es darauf an, innerhalb vorgeschriebener Zeit nach der Landung nicht 
gefaßt zu werden. Der beste Schutz für dem Ballon ist der, daß er die Höhe 
aufsucht, in der sich die Wolken befinden, umd sich so lange der Sicht der Ver- 
folger entzieht, als es nach den Wettfahrtbedingungen erlaubt ist. Sind keine 
Wolken vorhanden, so nimmt man ebenfalls die Vertikal-Navigation, aber in 
anderer Weise, zu Hilfe, um die Verfolger zu täuschen, indem man unregelmäßig 
seine Höhe wechselt, so daß es für den Verfolger schwer ist, die mittlere Fahrt- 
richtung genau zu erkennen; die Landung erfolgt plötzlich an einer möglichst 
entlegenen unzugänglichen Stelle, Z. B. stiegen bei einer Fahrt von Münster i, W. 
im Oktober bei schwachen Winden sieben Ballone, von Autos verfolgt, auf (12). 
Durch geeignete Vertikal-Navigation gelang es mir, zu erreichen, daß mein Ballon 
nach der Landung als einziger nicht gefaßt wurde.
	        
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