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Full text: 61, 1933

360 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, November/Dezember 1933. 
wir Kampen in 150 m Höhe und hörten dort dem feierlichen Kirchengeläut von 
oben zu. Wir beschlossen auf Grund unserer Windbeobachtungen über die 
Zuidersee zu gehen, über die wir das Schlepptau dahinstreichen ließen, bis wir 
Dach 2 Stunden das jenseitige Enkhuizener Ufer in nordwestlicher Richtung 
peilten. Während der Fahrt begegneten ums öfter Schiffe; unser Korb strich 
dicht über das Wasser hinweg. Vor den Dünen der Nordsee zwischen Helder 
und Alkmar wurde dann nach 17 Stunden Fahrt gelandet. Wir hatten 345 km 
zurückgelegt, während die anderen Ballone, die höher gefahren waren, teilweise 
in 26 Stunden nur 123 km zurückgelegt hatten und nordwestlich von Bremen 
gelandet waren, 
Eine Weitfahrt erfordert vor allem einen Einblick in die voraussichtliche 
Weiterentwicklung der Wetterlage und der Höhenwinde, Es kommt nicht wie bei 
kurzen Wettfahrten auf die augenblickliche Windlage und deren Ausnutzung an, 
Man darf nicht ohne Prüfung diejenige Höhe aufsuchen, in der die stärksten 
Winde wehen, sondern muß die Höhe suchen, in der die Winde den Ballon in 
ein Gebiet starker Winde bringen. Dabei bleibt zu erwägen, wie lange sich der 
Ballon noch in der Luft halten kann, Oft führen die stärksten Winde, meist in 
zrößer Höhe, in Hochdruckgebiete mit Windstille, aus der der Ballon dann nicht 
mehr herauskommt, wie es auch dem Segelschiff auf dem Meer gehen kann. 
Ein Beispiel (4) dafür ist die Gordon-Bennett-Fahrt von Stuttgart, die ich 
meteorologisch bearbeitet habe?!), und bei der die anfangs hoch fahrenden 
Ballone (2500 m im Mittel der ersten 32 Stunden} später, in der Gegend von 
Kronstadt in Siebenbürgen, 200 km in 6 Stunden zurücklegten, während andere 
Ballone, darunter der Sieger, der anfangs zwar etwas langsamer und tiefer 
(1700 m in 32 Stunden) fuhr, aber dadurch nördlicher kam, sich also von dem 
Tiefzentrum über der Ostsee nicht so weit entfernte, 420 km in den gleichen 
6 Stunden zurücklegte, zuletzt sogar eine Stundengeschwindigkeit von 100 km 
erreichte (Abb, 2) %). 
Findet ein Ballonstart zur Weitfahrt vom Zentrum eines Hochdruck- 
gebiets, also bei unbestimmter Windlage, statt, so ist es zunächst sehr schwierig, 
Anordnungen über Vertikalnavigation richtig zu treffen; man wird daher zu- 
nächst Ballast sparen, beobachten und abwarten, welche Windlage die Vor- 
herrschaft gewinnt und dann konsequent danach handeln, 
Eine Gordon-Bennett-Fahrt von Paris im Oktober, an der ich teilnahm, gibt 
hierfür ein Beispiel (5): 18 Ballone stiegen bei WNW-Wind auf. Später drehte der 
Wind auf NW und N, dann auf NO, O, und schließlich auf SO, so daß wir mit 
Ballon „Hamburg“ über Melun, nördlich Orleans, südlich Le Mans, über Rennes 
nach der Bretagne kamen und dort bei Kap Prehel nachts 23 Uhr vor dem 
Leuchtturm nach 28stündiger Fahrt landen mußten, weil wir es nicht wagten, 
wie der Sieger, über den Kanal nach Wales zu fahren. Die Abb, 3 zeigt, wie 
der Wind in den unteren Schichten, in denen der Ballon flog, während der 
ersten Stunden um 140° drehte, 
Ebenso wechselnd war die Windlage bei einer Weitfahrt von Münster i. W, 
im Juli (6), Es wehte ONO-Wind, Alle 8 Ballone fuhren zunächst tief, um 
möglichst weit nach S zu kommen, denn oben wehte der Wind mehr aus 
Q und OSO, zur Nordsee führend, Nach 2 Stunden erreichten wir Dülmen, nach 
4 Stunden, um Mitternacht, den Rhein bei Wesel. Es war drückend heiß, 25°. 
[m NW, über Holland, kam Wetterleuchten und dann Gewitter auf. Wir mußten 
also, wie bisher, ganz nahe dem Boden bleiben, um schnell landen und wo- 
möglich dem Gewitter südlich herum ausweichen zu können, Um 2 Uhr ge- 
witterte es stärker, und eine Stimme vom Boden rief: „Holländische Grenze 
passiert“ Die Zeit zwischen Donner und Blitz verkürzte sich bis auf 10 Se- 
kunden; schon war alles zur Landung bereit, da nahm die Zeit zwischen Donner 
und Blitz und damit die Entfernung des CGkewitters wieder zu, auf 3 bis 4 km 
und mehr, so daß wir aufatmen konnten, da wir nun unsere Fahrt nicht abzu- 
brechen brauchten. Wir waren eben vor Helimond in Holland, da erreichten 
1) Deutsche Luftfahrer-Zeitschr. 1913, Nr. 18, S, 425. — *) Klischee der Abbiklung vom Verlag 
Hesae und Becker, Leipzig, aus „Wetter und Mensch“ von Perlewitz,
	        
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