Perlewitz, l.: Meteorol. Horgontal-Narigation durch Vertikal-Navigation im Luftfahrzeug, usw. 359
alle anderen 10 Siegerballone 145 Minuten und länger in der Luft waren
(Stundengeschwindigkeit unter 22 km).
Es werden auch Zielfahrten veranstaltet, bei denen der Ballonführer sich
selbst sein Landeziel vor dem Start bestimmt. Solche Fahrten sind genau
80 durchzuführen, wie die oben beschriebene Zielfahrt. Wesentlich ist hierbei
die genaue Kenntnis der Windverhältnisse beim Start und die Weiterentwick-
lung der Wetterlage in bezug auf die Winddrehung während der Fahrt bis zum
Ziel, besonders wenn das Ziel weit liegt und die Fahrt längere Zeit dauert.
Bei einer solchen Fahrt (2) von Berlin mit 11 Ballonen, bei der der vor mir
aufgestiegene Ballon „Atlas“ mit Korb wegen falscher Vertikal-Navigation gleich
nach dem Start am Schornstein der Gasanstalt kleben blieb, nachdem ihn der
Blitzableiter aufgeschlitzt hatte, erhielt ich den Preis der Wissenschaftlichen
Gesellschaft für Flugtechnik, der heutigen WGL. Das selbstgewählte Ziel Jag bei
Filehne im abgetrennten Westpreußen, Bei der Wertung der Ballone wird hier
nicht die einfache Entfernung Landeplatz—Ziel, sondern der Quotient Lande-
platz—Ziel durch Ziel—Startort bewertet.
Eine andere Art von Wettfahrten, die Dauerfahrten, werden weniger
gepflegt, da es hierbei entscheidend auf die Güte des Ballonmaterials ankommt,
statt auf die Führung durch richtigen und sparsamen Ballastverbrauch sowie
auf Verhinderung des Abtreibens des Ballons nach See und über verbotene
Grenzen. Solche Fahrten könnten als Wettfahrten nur mit ganz gleichwertigem
Ballonmaterial durchgeführt werden, was so gut wie ausgeschlossen ist, daher
werden sie kaum veranstaltet; wohl werden solche Leistungen als internationale
Rekorde aufgestellt und hoch gewertet.
Die beliebtesten Wettfahrten sind die Weitfahrten. Sie erfordern die
vielseitigsten Rücksichten sowohl auf das Wetter beim Start und in der Weiter-
entwicklung als auch auf die technische Führung, weil eine Weitfahrt gleich-
zeitig eine Dauerfahrt werden kann; es ist aber meist ein großer Fehler, von
vornherein die Weitfahrt in erster Linie als Dauerfahrt aufzuziehen. Daß
Dauer- und Weitfahrt ganz verschiedene Ergebnisse zeitigen können, zeigt fol-
gendes Beispiel (3):
Im Juni stiegen in Hannover um 19 Uhr bei wolkenlosem Himmel 9 Frei-
ballone zu einer Weitwettfahrt auf!) (3). Die Wetterlage war derart, daß der
Startort mitten im Hoch lag. Um 21. Uhr befanden sich alle Ballone nur
wenige Kilometer südlich der Stadt, Unseren Ballon hielten wir tief, da am
Boden bald NO-Wind einsetzte, der uns am schnellsten vorwärts und am
weitesten nach SW versetzte, während oben bis 1200 m sich reiner O-Wind ein-
stellte. Je südlicher wir aber kamen, um so mehr Aussicht hatten wir, sowohl
die Nordseeküste als auch die bei dieser Wettfahrt verbotene französische
Grenze zu vermeiden, Nachts ging es, teilweise in Schlepptauhöhe, wobei wir
noch ein unheimliches nächtliches Glockengeläut an einem Kirchenglockenturm
mit dem Schlepptau erzeugten, südlich Osnabrück über den Teutoburger Wald,
Beim Morgengrauen sahen wir mit Spannung nach unseren Wettbewerbern aus.
Endlich entdeckten wir einen Ballon in südöstlicher Richtung, Er lag etwa eine
halbe Stunde hinter uns, wir müssen ihn überholt haben, da wir als letzter gestartet
waren. Außerdem lag er südlicher, also günstiger, da er eine weitere Entfernung
bis zur Grenze vor sich hatte, Sein Azimut wurde deshalb dauernd von uns
beobachtet: erst SO, dann OSO und schließlich, indem er immer weiter zurück-
blieb, O, so daß wir nunmehr seine Konkurrenz kaum mehr zu fürchten hatten, Dieser
Ballon „Elmendorf“ stieg höher und bekam oben schwächeren SO-Wind, während
wir durch Ventilziehen den Vorteil hatten, 0OSO-Wind zu haben und, am Boden
entlangstreichend, von den Wettbewerbern nicht gesehen zu werden, Alles weitere
Umschauen nach Ballonen blieb vergeblich. Dauernd zogen wir am Ventil, denn
nachts hatten wir 4°, am Tage stieg die Lufttemperatur auf 20° und die Gas-
temperatur im Ballon wegen der Sonnenstrahlung noch erheblich höher, Über
Rheine und Bentheim ging es zur holländischen Grenze. Um 9 Uhr überflogen
‘; Vgl. Das Wetter, 1914, H. 5, 8. 6.