Mey, A.: Platzregen über Bremen.
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Die günstigen Bedingungen zur Schauerbildung ermöglichten über Bremen
die besprochenen Platzregen, die offenbar einzelnen Quellwolken von verhältnis-
mäßig so geringem Durchmesser entstammten, daß in den verschiedenen Fällen
in dem vom Netz der registrierenden Regenmesser überdeckten Gebiete gleich-
zeitig zwei voneinander unabhängige Schauer festzustellen waren, In einem
Falle gelang es, einen solchen Platzregen ganz zu umgrenzen, wobei eine radiale
Ausbreitung des Regengebietes festgestellt wurde, die auf eine Ausbreitung der
Wolke in der Höhe der Ast-Schicht zurückgeführt werden muß, wozu die oben
erwähnte Beobachtung der Flugzeugführer passen würde.
Es ist noch bemerkenswert, daß zwischen erstem und letztem Schauer rund
14 Stunden liegen, daß also die günstigen Bedingungen für die Schauerbildung
entweder sehr lange fortbestanden oder sich erneuert haben; man kann im
letzteren Falle annehmen, entweder, daß eine neue Kaltluftstaffel in der Höhe
die Schauerbildung in der Nacht angeregt hat, oder daß durch Abkühlung in
der Höhe infolge Ausstrahlung die Labilität gesteigert wurde, Über einen etwa-
igen Einfluß der Unterlage auf die örtliche Verteilung der Schauerherde läßt
sich aus dem vorliegenden Material nichts schließen, wenn es auch naheliegt, in
dem Falle des einzigen ganz umgrenzbaren Schauers anzunehmen, daß die Stadt-
wärme das Emporquellen ausgelöst haben kann.
Meteorologische Horizontal-Navigation durch Vertikal-Navigation
im Luftfahrzeug, insbesondere im Freiballon.
Von Dr. Paul Perlewitz, Hamburg, Deutsche Seewarte.
(Hierzu Tafel 55.)
Übersicht: Dreidimensionale Navigation, das Luftfahrzeug im Luftstrom (Abtrift), Windänderung
mit der Höhe, Beispiele für Vertikalnavigation bei Ziel-, Dauer-, Weitfahrten, bei Fahrten im Hoch-
druckgebiet, bei zeitlichen Änderungen, im Tief, (im Passat), bei Rekordfahrten, Fuchsjagden, Gebirgs-,
Meeres- und Küstenfahrten. Meteorologische Vertikalnavigation des Segelfliegers.
Ein Fahrzeug lenken — navigieren sagt man von der Schiffahrt her —
kann jeder, der den Führerschein für die betreffende Fahrzeuggattung besitzt.
Ein Fahrzeug gut führen, ist Übung und Kunst‘).
In einem erd- oder wassergebundenen Fahrzeug hat man die zweidimen-
sionale Erdoberfläche als Navigationsfeld, im Luftfahrzeug das dreidimensionale
Raumfeld. Die Navigationsmöglichkeit und -freiheit ist also im Luftfahrzeug
unendlich viel größer als die im Schiff oder Auto. Zur Horizontalnavigation
kommt die Vertikalnavigation hinzu, Daraus erwächst dem Führer aber gleich-
zeitig die Pflicht, sich mit dieser doppelten Navigationsmöglichkeit um so gründ-
licher vertraut zu machen und sie bei jeder Fahrt auszunutzen.
Die älteste Gattung von Luftfahrzeugen ist der Freiballon; er stammt aus
dem Jahr 1709 und war bis etwa 1903, also zwei Jahrhunderte lang, das einzige
Luftfahrzeug. Nicht Montgolfier (1783), sondern de Gusmao aus Santos ließ den
ersten Heißluftballon (am 8. 8. 1709 in Lissabon, allerdings nur bis zum Balkon
des Kgl. Schlosses) aufsteigen?).
Ist ein Freiballon gestartet und damit von der Erde losgelöst seinem Element
übergeben und zur Ruhe gekommen, so kann er als ein Luftteilchen angesehen
werden, das sich im Gleichgewicht mit dem ihn umgebenden Luftkörper befindet,
Wir sehen dabei zunächst von etwaiger Temperaturänderung dieses Ballonluft-
teilchens, die ihm vertikale Eigenkraft verleiht, ab. Der Ballon bewegt sich
horizontal willenlos mit und in der ihn umgebenden Luft; kein Luftzug, ob Sturm
herrscht oder nicht, macht sich im Korb bemerkbar, abgesehen von lokaler
Turbulenz und Luftunruhe, besonders in Gebirgen, worauf wir noch zurück-
‘) In der „Hansa“, Deutsche Schiffahrts-Zschr., 1933, S. 705, sagt der 1. Offizier der Hapag,
W. Niemann: „Die Navigation und im besonderen die astronomische ist eine Wissenschaft und zu-
gleich eine Kunst. Theoretische Überlegungen müssen die wissenschaftliche Grundlage schaffen für
die Kunst des praktischen Navigierens“, — ?) A, Hildebrandt, Vom Flugahnen zum Höhen-
flug. Deutsches Museum, Abhandlungen und Berichte, 5, H. 3, VDI-Verlag, Berlin 1933.