Thiel, G.: Strombeobachtungen deutscher Fischdam pfer unter Island, 8331
Wird der durch Formel (9) dargestellte Differentialquotient der Geschwindig-
keitskurve des Gesamtstroms gleich Null gesetzt, sO können unter Anwendung
der Regula falsi ebenfalls die Abszissen £ der größten Stärke des Gesamtstroms
und der Kenterungszeiten oder der geringsten Stärke des Gesamtstroms und
dann die dazugehörigen Ordinaten y ermittelt werden, während die Kenterungs-
zeiten des Gezeitenstroms 90° (3 mittlere Mondstunden) vor und nach der größten
Stärke des Gezeitenstroms liegen, Nach diesen Verfahren sind die in den
Stromtabellen gegebenen Zeiten des Eintritts des Flut- oder Ebbstroms berechnet
worden.
Tafel 43 stellt eine Karte der Südküste Islands dar und gibt einen Über-
blick über die Lage der 11 Orte und die Form der Stromellipsen dieser Orte,
Tafel 44 gibt die Geschwindigkeitskurven des Gezeitenstroms und Gesamt-
stroms der 11 Orte im rechtwinkligen Koordinatensy stem,
Tafel 45 gibt einen Überblick über die Beziehungen zwischen Gezeitenstrom,
Reststrom und Gesamtstrom, Zeichnet man den Gezeitenstrom zu den ein-
zelnen Stunden der Gezeitenperiode nach Richtung und Geschwindigkeit als
Polarkoordinaten auf und verbindet die Endpunkte der Vektoren durch eine
Linie, so entsteht die Stromellipse, die den Pol zum Mittelpunkt hat, Trägt
man von diesem Mittelpunkt aus den Reststrom als Vektor mit entgegengesetzter
Richtung an, so erhält man den Pol des Gesamtstroms, Verbindet man nun die
Endpunkte der Vektoren für die einzelnen Gezeitenstunden mit dem neuen Pol,
so stellen die neuen Vektoren den Gesamtstrom für die einzelnen Gezeiten-
stunden dar,
Verbindet man die Pole des Gezeitenstroms und des Gesamtstroms mit den
entferntest liegenden Punkten der Ellipse, so geben diese Vektoren die Rich-
tungen und Geschwindigkeiten zur Zeit der größten Stärke der Ströme an,
Zieht man ebensolche Vektoren nach den zunächst liegenden Punkten der Ellipse,
so erhält man die Richtungen und Geschwindigkeiten zur Zeit der geringsten
Stärke der Ströme. Diese Überlegungen haben zu den Zeichnungen der Tafel 45
geführt.
Schlußbetrachtung,
Bei der Betrachtung der Ergebnisse der Auswertung zeigen sich bemerkens-
werte Einzelheiten, die geeignet sind, in die recht verwickelten Stromverhältnisse
an der Südküste Islands etwas Licht hineinzubringen. Von der Höhe der Me-
dalland-Bucht ab setzt ein beständiger Strom nach Westen, während zwischen
der Medalland-Bucht und Stokksnes hinundhersetzende Ströme herrschen. Die
Analyse der Strombeobachtungen von Ingolfshöfdi ergibt fast keinen Reststrom;
bei Stokksnes-West macht sich ein schwacher südlicher Reststrom bemerkbar,
der von dem ostisländischen Polarstrom herrührt.
Etwa kurz nach sechs Stunden vor Hochwasser in Queenstown, zu einer Zeit,
die mit dem Niedrigwasser bei Ingolfshöfdi ungefähr zusammen eintritt, setzt bei
Ingolfshöfdi der Flutstram in ostnordöstlicher Richtung ein, Gleichzeitig setzt
er bei Hvalsbakur-Südost in westlicher Richtung ein und beginnt auch südwest-
lich und westlich der Vestmannaeyjar zu laufen, während er bei Hvalsbakur-Süd
etwa eine Stunde später in nordöstlicher Richtung zu setzen beginnt, Daraus
folgt, daß die Flutwelle ungefähr gleichzeitig vor der Südküste Islands eintrifft.
Die Teilung des Flutstroms in einen Ostnordost- und einen Westarm erfolgt vor
der Medaliland-Bucht in der Gegend des Skeidarä-Tiefs, wie aus dem Verlauf der
Stromellipsen von Ingolshöfdi und Medalland-Bucht hervorgeht. Das Einsetzen
des westlich setzenden Flutstroms an dem „Ort“ Medalland-Bucht erfolgt zwischen
vier Stunden und drei Stunden vor Hochwasser in Queenstown, Der in der
Myre-Bucht und bei Ingolfshöfdi nach Ostnordost setzende Flutstrom trifft bei
Stokksnes auf den ostisländischen Polarstrom, wird hier zum Ausweichen ge-
zwungen und fließt mit letzterem zusammen in der Richtung der Mittelkraft
nach Südost ab. Etwa um 2'/, Stunden vor Hochwasser in Queenstown tritt bei
Stokksnes-West die Kenterung von Nordost- auf Südweststrom ein; der von
Norden als Flutstrom kommende ostisländische Polarstrom hat die Überhand
gewonnen, drängt den von Süden kommenden Nordoststrom von der Küste ab