Plaßmann, J.: Sichtbarkeit des Planeten Venus bei tiefstehender Sonne, 97
noch mit Rücksicht auf die große Lichtstärke des Morgensternes im ersten Ab-
schnitt. Noch deutlicher tritt dies hervor, wenn wir die drei ersten Abschnitte,
also alle Beobachtungen des Morgensternes, zusammenfassen, und ebenso alle
Beobachtungen des Abendsternes, also die letzten drei Abschnitte, alles mit Rück-
sicht auf die Anzahl der Beobachtungen, die ja in den zwei ersten Abschnitten
besonders groß ist. Wir erhalten dann aus den 259 Morgenbeobachtungen
— 0.10 als durchschnittliche Abweichung der Helligkeit vom normalen täglichen
Gange; aus den 65 Abendbeobachtungen ergibt sich -+- 0.33. Die Zahl der
Schätzungen ist groß genug, um den Gedanken an ein reines Zufallsergebnis zu
verbieten.
Hier an eine kosmische Ursache zu denken, wie sie etwa beim aschgrauen
Mondlichte die Morgenbeobachtungen begünstigt*), geht natürlich nicht an, und
über die psychophysikalische Frage ließe sich, wie gesagt, erst verhandeln, wenn
noch viel mehr Abendbeobachtungen da wären. Es gibt jedoch eine meteoro-
logische Ursache, die jedenfalls mitspielt. Aus meinen zahlreichen Beobachtungen
der neutralen Punkte der atmosphärischen Polarisation hat Fr. Roggenkamp*?)
gefunden, daß auch an anscheinend klaren Tagen der Morgenhimmel hier im
allgemeinen trüber ist als der Abendhimmel. Die Ursache erkennt er in den
herrschenden Süd- und Südwestwinden, die aus dem Moorgebiete der Davert
sowie aus dem unmittelbar südlich vor der Stadt liegenden Überschwemmungs-
gebiet des Aa-Flusses Feuchtigkeit heranbringen, für welche dann der aus dem
Süden bei Hamm und aus dem Südwesten bei Bochum und den Nachbarstädten
aufgestiegene Industriestaub die Kerne zur Konzentration bietet, die sich in der
Nacht über Münster senken, In dieselbe Richtung weisen die Studien über die
Verfärbung der tiefstehenden Sonne, die ich an zwei Stellen®) bekanntgegeben
habe. Die Luft ist am Morgen anders beschaffen als bei gleicher Sonnenhöhe
am Abend, und ihre Unreinheit verschleiert nicht nur den Stern, sondern be-
wirkt auch eine stärkere Weißfärbung des Dämmerungsbogens. Dabei sei be-
merkt, daß die Beobachtungsstätte am nördlichen Ende der bebauten Stadt liegt,
mit immer noch recht freier Aussicht nach Osten, Norden und Westen.
(= +51° 58; 1=-—7° 37; h= 74m, geltend für das flache Dach des Wohn-
hauses).
Die Berechnung der Höhen der Venus selbst hätte bei der Geringfügigkeit
des Materials kaum die Mühe gelohnt. Man gewinnt jedoch für die Abschätzung
ihres Einflusses einen Anhalt, wenn man das Material nach der Jahreszeit
ordnet. Der Vorfrühling, etwa von Mitte Februar bis Mitte März, ist bekannt-
lich für die Beobachtung des Tierkreislichtes sowie des aschgrauen Mondlichtes
am Abend die beste Zeit, weil um 6b Sternzeit die Ekliptik am steilsten zum
Horizont steht. Bei gleicher Phase wird sich also um diese Zeit auch Venus am
leichtesten auffinden lassen. Für Morgen-
beobachtungen gilt dasselbe vom Oktober.
Tabelle C gibt die gefundenen Mittelwerte
wieder.
Lassen wir die Mittel aus weniger
jenn 10 Beobachtungen zunächst als reine
Zufallsergebnisse auf sich beruhen, so
zeigt sich, daß zu Anfang des Jahres der
Morgenstern auffallend lichtschwach er-
scheint, einmal weil die Sternzeit nicht
mehr günstig ist, dann aber besonders
wegen des schlechten Luftzustandes an - ———
den Wintermorgen, wie er aus Roggenkamps Festellungen hervorgeht, Dem
Abendstern kommt die günstige Sternzeit zugute, auch der bessere Zustand der
Atmosphäre. Das Maximum bei den Morgenbeobachtungen im Juli und August
Monate
4) Vgl. unsere Ausführungen in der Zeitschrift Die Himmelswelt, Bd. XXXIV [1924], besonders
Seite 103. — %) Die neutralen Punkte von Arago und Babinet in Münster in den Jahren 1910 bis 1925,
Inaug.-Dies, Hamburg 1932. -— % Vgl. Ann. d. Hydr. usw. 1924, S, 15—18; Meteorolog. Zeitschr.
1931, Heft 11. 421—425,