958 Annalen der Hydrographie und Maritimnen Meteorologie, August/September 1933.
neben der möglichst günstigen Auswahl des Beobachtungsstandortes von aus-
schlaggebender Bedeutung. Unter Umständen wäre die Maschine zu stoppen
und/oder der Kurs während der Beobachtungszeit mit Rücksicht auf die Seegang-
richtung zu ändern. Für alle Zeiten der Beobachtungsreihe müßten sodann
aus den nautischen Tafeln die entsprechenden wahren Höhenänderungen ent-
nommen und die so gewonnene Reihe der wahren Höhenänderung mit den Be-
obachtungen verglichen werden. Die Teile der Kurve, die die besten Überein-
stimmungen ergeben, dürften auch die richtigsten Beobachtungen enthalten, die
dann gemittelt auszuwerten sind. Das Ergebnis könnte nun, wenn einigermaßen
günstige Beobachtungsbedingungen vorlagen, mit entsprechender Vorsicht zur
Ortung verwandt werden.
Die Ergebnisse der Beobachtungen auf D, „Arucas“ zeigen, daß es unmöglich
und vollkommen abwegig ist, zu versuchen, allgemeine Grenzwerte für die Be-
nutzung des Libellensextanten, etwa durch Angabe einer Seegangszahl oder
eines Krängungsgrades, aufzustellen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der Libellensextant auf kleineren
Schiffen schon bei verhältnismäßig noch gutem Wetter nicht die Bedingungen
erfüllt, die die nautische Praxis an ein Meßgerät stellen muß, das unter Um-
ständen grade in schwierigen Augenblicken benutzt werden soll. Aber auch auf
großen Schiffen wird, selbst unter günstigen Beladungsverhältnissen, die Ver-
wendbarkeit nur sehr beschränkt sein, da die Libellenblase schon bei geringer
Schiffsbewegung eine solche Beschleunigung erfährt, daß die Beobachtungs-
ergebnisse den zu fordernden Genauigkeitsgrad nicht erreichen können. Auch
eine kardanische Aufhängung des Instrumentes — ähnlich wie bei dem Flugzeug-
periskopsextanten (System Opitz) — kann die Beschleunigung nicht ausschalten,
Das Problem „Los von der Kimm“ wird vom Libellensextanten daher nicht gelöst
werden; das gleiche gilt für den Pendelsextanten, der den gleichen Einflüssen
in ähnlichem Maße unterliegt. Auch die Versuche mit dem Kreiselhorizont werden
an der Beschleunigung schließlich scheitern. Deshalb werden die Untersuchungen,
von der Kimm als Bezugslinie freizukommen, in anderer Richtung gehen
müssen,
Es bleibt noch die Frage, ob heute in der Zeit der schnellen Entwicklung
des Funkpeilers das Problem überhaupt noch diese große Beachtung verdient.
Für die Handelsschiffahrt ist die Frage jedenfalls zu verneinen. Hier wird man
für ein neues Instrument nur Interesse haben, wenn es gegenüber dem gewöhn-
lichen Sextanten wirkliche Vorteile aufweist; dazu muß es ebenso leicht und
einfach zu handhaben sein, und schließlich darf es auch nicht teurer sein als
ein Sextant.
Für die Kriegsmarine, die im Ernstfalle mit dem Funkpeiler nicht ohne
weiteres rechnen kann, ist die Lösung des Problems dagegen ebenso wie für den
Langstreckenflug von großer Wichtigkeit, Im Seeflug behilft man sich heute
noch bei der astronomischen Ortung mit Kimmabständen, soweit es die Witterungs-
verhältnisse und der Seegang gestatten, zum Beobachten dicht über die Wasser-
Mäche herunterzugehen, sofern man nicht dem Libellen- oder Pendelsextanten
den Vorzug gibt, der bei den gänzlich andersartigen Bewegungsbedingungen
des Flugzeugs hier bessere Ergebnisse liefert als in der Schiffahrt.
Die Fernflüge der Zukunft werden in solchen Höhen durchgeführt werden,
daß man zum Beobachten nicht mehr niedergehen kann, dann wird aber ein
unbedingt zuverlässiges Instrument unerläßlich sein, das unabhängig ist von der
Kimm und jeglichen Beschleunigungseinflüssen,
Wesentlich für das Gelingen der Arbeiten war die freundliche Hilfe und
Unterstützung, die ich von Herrn Ministerialrat Prof. Dr. Wedemeyer und
meinem Lehrer Kapt. Renner, Studienrat an der Seefahrtschule in Bremen,
erfuhr; beiden bin ich zu besonderem Dank verpflichtet.