Schott, G.: Auftriebwasser an den australischen Westküsten? Ja und Nein! 231
aber so ist, so erheben sich nun erst die eigentlichen Schwierigkeiten, nämlich
bei der wissenschaftlichen Erklärung zweier sich aufdrängenden weiteren Probleme.
Das erste betrifft die in unseren Eingangszeilen erwähnte, von W. Köppen
gestellte klimatologische Aufgabe: Wenn Auftriebwasser praktisch genommen an
den Westküsten Australiens fehlt, warum leidet dann diese Küste gleichwohl so
außerordentlich unter Regenarmut, besonders in ihrem nördlichen Teil nördlich
vom sogenannten Schwan-Land, nördlich etwa von Geralton, wo die Küste nach
Geisler!) von fast abstoßender Trostlosigkeit wird und die niederdrückende
Vegetationsform des australischen Scrub sich breit macht? Und das zweite
schwierige Problem, das ozeanographischer Natur ist, liegt für den Verfasser
dieses Aufsatzes darin: Warum entwickelt sich unter sehr ähnlichen meteoro-
logischen und ozeanographischen Verhältnissen auf gleichen geographischen Breiten
an der Küste Südwestafrikas ein so enormes Kaltwassergebiet, an der Küste West-
australiens aber nicht? Es mag sein, daß die nachstehenden Ausführungen zu
beiden Punkten nicht recht befriedigen; sie mögen dann als Anregung zu weiterer
Untersuchung hier stehen.
Hinsichtlich des ersten, des Köppenschen Einwurfes sei bemerkt, daß man
wohl bei der Frage nach den Niederschlagsmengen an Passatküsten dem Charakter
der Winde als solcher den direkten und maßgebenden Einfluß einräumen sollte,
und nicht dem kalten oder warmen Küstenwasser als solchen. Der Teil der
australischen Westküste, der die größte Regenarmut aufweist, liegt, wie feststeht,
mit < 300 mm von Geralton ab nordwärts um das Nordwestkap herum bis zum
30 miles-Strand. Es ist eine durchweg niedrige, flache Küste, und auf dieser
Strecke herrscht, mit einem Zentrum in Carnarvon, zugleich der Passat unbe-
schränkt das ganze Jahr, allerdings mit vorwiegender Ablenkung nach
S und sogar SW (s. Tabelle S. 227), Passatwinde sind, wenn sie nicht zum
Aufsteigen gezwungen werden, von Natur trocken. Südlich von dieser Kernzone
nach Perth hin finden wir wechselnde, z. T. schon dem Westwindgebiet ange-
hörende feuchte Luftströmungen, daher auch im Schwan-Land zunehmende Regen-
mengen; und nordöstlich von dem Kerngebiet nach Broome hin haben wir bei
wenig zunehmendem Regenfall während eines beträchtlichen Jahresteiles westliche
bis WNW-Winde, die monsunhaft feucht sind. Wir müssen uns vielleicht über-
haupt den Standpunkt etwas abgewöhnen oder ihn modifizieren, daß das kalte
Wasser als solches die Trockenheit bedinge. Wenn beispielsweise die Reihe der
kleinen flachen Inseln vor der Nordküste Venezuelas abnorm geringen Regenfall
besitzen und zugleich — wovon vor einiger Zeit in dieser Zeitschrift?) die Rede
war — in ihrer Umgebung die Meeresoberfläche deutlich erniedrigte Wasser-
temperaturen aufweist, so dürfte trotz dieses äußeren „Zusammenklanges“ maß-
gebend für die Regenarmut allein der starke, trockene Passat über den niedrigen
Inseln sein; erst an der hohen Küste der festländischen Kordillere fällt der Regen
in stärkerem Grade. Wenn an der trockenen Nordküste Perus in manchen Jahren
ungewöhnlich hohe Wassertemperaturen mit verheerenden Regenfällen auftreten
(die sogenannten niZzo-Störungen?), so hat man zur Erklärung das Hauptgewicht
auf die dann stets den Passat verdrängenden N-NW-Winde von feuchtem Monsun-
charakter, Gewitterreichtum usw. zu legen. Es kann also sehr wohl — nach
meiner Ansicht — an einer Passatküste Regenarmut mit hoher oder normaler
Wassertemperatur verbunden sein, sofern nur und solange der Passat als trockener
Wind die vorherrschende Luftströmung bleibt. Diese Voraussetzung ist aber auf
der kritischen Strecke Westaustraliens erfüllt. Ob dabei Aufquellwasser oder
warmes Wasser an der Küste liegt, hängt von der Passatrichtung und besonderen
ozeanographischen, d.h. Strömungsvorgängen, ab. Kurz gesagt, man darf m. E.
das vorliegende Problem nicht ohne weiteres umdrehen und sagen: eine Passat-
küste müßte, wenn an ihr warmes Wasser liegt, ausreichende Regen empfangen.
Umstritten wird auch vielleicht die Antwort auf die zweite, vom Verfasser selbst
gestellte Frage, die von einem Vergleich der australischen Westküste mit der
südafrikanischen ausgeht. Warum dort kein Auftrieb, hier aber intensiver Auf-
1) W. Geisler, Australien. Handb, der Geographischen Wissenschaft von F, Klute. 3.46, 50. —
% Ann. d. Hydr. 1931, 8. 224. — 3) Ebenda 1931, S. 208, 240.