140 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Mai/Juni 1933,
erfaßt hatte, war offenbar die Trennungsfront zwischen Nord- und Ostsee-
tief. Wir hatten innerhalb dieser Zeit diese Front in zweimaliger Offensive
Adurchstoßen. Das entscheidende Ergebnis war, daß wir von dem einen, dem
westlichen Windsystem, in das andere, das östliche, hineingekommen waren. Der
Vorgang kann nur der gewesen sein, daß uns die Westströmung schneller nach
Osten versetzte, als die Front, die Divergenzlinie, selbst ostwärts wanderte,
Zweimal versuchte uns die Front mit ihrer unregelmäßigen Luftzirkulation zurück-
zuhalten, indem sie uns nordwärts versetzte. Dies gelang ihr aber auf die Dauer
nicht, denn die nach Nord gerichtete Strömung oder besser gesagt, Strömungs-
komponente (vgl. die Skizze, Abb. 1) war sehr unbeständig, so daß wir beide Male
schnell wieder in die Westströmung gerieten und damit über die Divergenz in
das Östliche Windsystem geschoben wurden. Nachdem dann der Ballon in das
östliche Windfeld gekommen war, blieb er dauernd darin und mußte nun eine
ungestörte Strömungsfahrt nach Osten über die ganze Ostsee, soweit das Tief
reichte, hinweg machen.
Eine zweite Möglichkeit wäre die, daß die Trennungsfront zwischen Nord-
und Ostseetief in der Nacht überhaupt nicht mehr ostwärts gewandert ist, sondern
fest lag oder sich sogar wieder zurück, also westwärts, bewegte. Beides kommt
Abb. 1. aber auf den ersten Fall hinaus,
nur daß in diesen Fällen das
Durchschreiten der Front mit
dem Ballon von West nach Ost
schneller als im erstgenannten
Fall vor sich gehen mußte. Auf
jeden Fall war aber unser Ballon-
Luftteilchen schneller gewandert
als die Drucklage.
Nach der Wetterkarte vom
folgenden Morgen haben sich die
Vorgänge nachts auch tatsächlich
so abgespielt. Die Front im
Hochkeil, die von Nachmittag
bis Abend von westlich bis öst-
lich Schleswig - Holsteins, also
_— =. Schnell ostwärts wanderte, ist in
Weg des Ballons, eines Luftteilchens in 400 m Höhe, beim der Nacht nicht mehr weiter-
Übergang vom Nordsee- zum Ostsee-Tief, Durchbruch gezogen, denn das Strömungs-
durch die on . . feld des Hochs südlich der Ost-
akteträmung nördlich um ein Hoch De N zweier ggg gewann schnell an Aus-
jefs von einem Tief zum andern.) dehnung und Energie, breitete
sich nach Nordwesten, Norden und Nordosten aus und löste die Front allmählich
überhaupt auf, rollte sie gewissermaßen von Süden her auf, indem sich die gleich-
mäßige Westströmung durchsetzte und sowohl Nordseetief wie Ostseetief nach
Norden zurückdrängte.
Betrachten wir statt der Front die Isobaren, so erkennen wir an deren
Verlagerung vom Mittag des 26. bis Mittag des 27, die gleiche Wetterlagen-
entwicklung. Vom Mittag bis Abend des 26, dringt die das Nordseetief um-
schließende 1010 mb-Isobare sehr schnell ostwärts mit dem Tief vor, von der nörd-
lichen Nordsee bis Jütland, so daß ich am Abend im Ballon mit weiterem Vordringen
zunächst rechnen mußte. In Wirklichkeit hörte aber gerade um diese Zeit das
Vordringen auf, die Isobare von 1010 mb blieb bis zum nächsten Morgen über
der Nordsee an derselben Stelle liegen, während sie an der Ostsee schon stark
nordostwärts zurückwich. Das Strömungsfeld hatte sich geändert, und der Ballon
kam in die Strömung zwischen dem von Deutschland nach Norden vordringenden
Hoch und dem nach Nordosteuropa abziehenden Tief,
Die Wetterkarten von 14 und 19 Uhr am 26. und die von 8 und 14 Uhr
vom 27. (Tafel 19) zeigen uns die einzelnen Vorgänge,
Wie der Ballon zweimal den Versuch machte, die Divergenzfront nach Osten
hin zu durchbrechen, ehe ihm dies gelang, ist aus der Skizze, Abb. 1, ersichtlich,
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