Perlewitz, P.: Wissenschaftliche Beobachtungen auf einer Freiballonfahrt über die Ostsee, 139
er zunächst fahren muß, wenn ihn überhaupt eine bestimmte Absicht leitet, wie
das z. B. stets bei wissenschaftlichen, bei Küsten- und bei Wettfahrten der Fall ist.
Am 26, Juni 1932 stand die Windlage im Kieler Bezirk unter dem Einfluß
eines flachen Hochdruckgebiets über Westdeutschland und dreier im Osten und
Norden bis Nordwesten, um dieses Hoch herumliegender flacher Tiefdruckgebilde
über Polen, Schweden und der nordwestlichen Nordsee, Alle drei Tiefs hatten
die Neigung, sich langsam ostwärts zu bewegen,
Im Laufe des Spätnachmittags des 26. drehte der Wind in Kiel von WSW
nach SW bis SSW und wurde schwächer. Es handelte sich dabei nicht um lokale
Winde an der Kieler Bucht, denn die Rückdrehung mit Abschwächung war all-
gemein über Schleswig-Holstein, wie die Abendwetterkarte zeigte, Die Drehung
war ein Zeichen dafür, daß Kiel nicht mehr unter dem Einfluß der Tiefs im
Nordosten stand, sondern unter den Einfluß des vordringenden Nordseetiefs
gekommen war. Man konnte also annehmen, daß sich die Südwestwinde halten
und den Ballon nach Nordosten führen würden, Am Nachmittag lief die Isobare
von 1010 mb zwischen Schottland und Südnorwegen hindurch, am Abend schon
durch die südliche Nordsee. und durch Jütland (Tafel 19).
Um 21.19 Uhr war Start. Bald danach wurde es schnell dunkel. Vom
Korb hatten wir eine recht gute Sicht. Hinter uns lag die bereits hell erleuchtete
Stadt Kiel und der Kanal, unter uns die Föhrde und vor uns die dunkle See.
Jenseits Friedrichsort kamen wir über Wasser. Das stattliche Marine-Ehrenmal
in Laboe flößte uns Ehrfurcht ein, es blieb zur rechten Seite in der Fahrtrich-
tung, Bülk zur linken. Bald passierten wir genau die Kieler Heulboje, die ihre
unheimlichen Warntöne immer lauter zu uns heraufheulte und dann ebenso schnell
abklingen ließ, Wieder war es still, nur das gleichförmige Meeresrauschen
vernahmen wir dumpf und leise. Die Leuchtfeuer gaben uns die Orientierung
bei dieser Überquerung der westlichen Ostsee. Peilkompaß und Seekarten wurden
hervorgeholt, Vor uns sichteten wir die Leuchtfeuer von Langeland und Laa-
land, rechts die von Fehmarn und von Feuerschiff Fehmarn-Belt, hinter uns das
ron Bülk,
Um 22.55 Uhr befanden wir uns etwa 4 km südlich des Feuers Dovnsklint,
der Südspitze von Langeland; wir hatten nunmehr 54 km mit einer Fahr-
geschwindigkeit von 34 km in der Stunde mit fast reinem Südwestwind zurück-
gelegt, Diese Geschwindigkeit entsprach 10 m in der Sekunde oder Beaufort-
stärke 5 bis 6, d.h. es wehte eine recht frische Brise.
Plötzlich, kurz vor Dovnsklint, bemerkten wir Korbwind. Dieser ist stets
ein Zeichen von Luftunruhe; meist ändert sich die Windrichtung. Das war auch
der Fall, der Wind drehte links, fast bis nach Norden in der Fahrtrichtung,
so daß der Ballon erst in den Langeland-Belt hineinsetzte, dann etwas rechts in
Richtung auf Kopenhagen. Diese erfreulichen Aussichten bestanden aber nur
sehr kurze Zeit, denn nach 4 Minuten seit der Linksschwenkung drehte der Wind
stark nach rechts, also nach Osten zu, und änderte damit sogar die Hauptfahrt-
richtung des Ballons, die bis dahin von Südwest nach Nordost gewesen war und
nun S75°W wurde, Mit der ersten Böe vor dem Linksdreh um 23.15 Uhr war
auch schwacher Regen gefallen, der uns einen Sack Ballast kostete.
Wir hatten uns nun auf diese neue Fahrtrichtung eingestellt und die Küste
von Laaland überschritten, da wiederholte sich 28 Minuten später fast derselbe
Vorgang der doppelten Richtungsänderung noch einmal, jedoch ohne Regen,
Wir drehten jetzt von WzS plötzlich nach links, und zwar diesmal sogar über
Süd hinaus bis SzE; wir waren dicht vor der. noch hell erleuchteten Stadt Nakskow,
and es schien, daß sie rechts bleiben würde. Nach. kaum 4 Minuten ging der
Wind jedoch in die alte Richtung WzS zurück, und Nakskow blieb doch links
von uns, in kaum 1 km Entfernung. Von nun an wehte der Wind aber gleich-
lörmig aus WzS (nach N75°E). Wesentliche. Höhenänderungen waren während
dieser Zeit nicht vorgenommen worden, der Ballon hatte sich zwischen 320 und
480 m gehalten, wie auch das Barogramm zeigt (Tafel 20). ;
Auf der Strecke südlich Dovnsklint bis Nakskow, wo uns zweimal ein Wind-
sprung mit yiermaliger scharfer Richtungsänderung innerhalb von nur 32 Minuten