138 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Mai/Juni 1933.
Als besonderer Teil käme der „Fahrtbericht“ hinzu, Da dieser aber im vor-
liegenden Falle nicht von den meteorologischen Überlegungen zu trennen ist, so
ist eine Trennung des technischen Fahrtberichts vom meteorologischen Bericht
ohne Wiederholungen in jedem Bericht nicht möglich. Wir schließen daher diese
deiden Hauptteile zusammen,
Il. Luftströmungen südlich zweier Tiefs und Einfluß dieser Strömungen auf die
Ballonbahn. Wetterlage. Fahrtbericht,
Nicht Hamburg, sondern Kiel wurde diesmal als Startort gewählt, um auch
dieser Stadt einmal einen Freiballonaufstieg zu zeigen, was besonders der Wunsch
meines Mitfahrers war, des Führeraspiranten Dr. Grotewahl, Leiters eines pri-
vaten Archivs für Polarforschung. Monate vorher mußten die Vorbereitungen
zu diesem ersten Start nach dem Kriege in Kiel eingeleitet werden, schriftlich
von Hamburg aus und persönlich durch meinen Mitfahrer in Kiel. Es war noch
ein zweiter Mitfahrer vorgesehen, doch mußte dieser zurückbleiben, da sich beim
Füllen des Ballons herausstellte, daß das spezifische Gewicht des gelieferten
Leuchtgases unerwartet groß war, und da der Wind nach See stand, also genügend
Ballast mitgenommen werden mußte,
Es sollte am Nachmittag um 18 Uhr am 26, Juni 1932 gestartet werden.
Der Wind war aber um diese Zeit noch so stark und böig, daß der Aufstieg —
zumal mit ungeübter Haltemannschaft — sehr schwierig erschien, Der Ballon
hätte auf alle Fälle sehr leicht abgewogen werden müssen, um ein Niederdrücken
in der gleich hinter dem Startplatz befindlichen Kieler Föhrde auszuschließen.
Die Windrichtung wies über die Außenföhrde nach Laboe—Schönberg—freie
Ostsee. Weder Mecklenburg zur Rechten noch Dänemark zur Linken in der
Fahrtrichtung konnte bei diesem Westsüdwestwind mit Sicherheit erreicht werden,
so daß die Landung schon vor Schönberg, also in etwa 10 km Entfernung vom
Aufstiegsplatz und etwa 12 Minuten nach dem Start, hätte vollzogen werden
müssen. Da dies aber bei dem geforderten leichten Abwiegen und böigen Wind
mit Gefahr verbunden gewesen wäre, abgesehen davon, daß solche 10 Minuten-
Fahrt den Freiballon in Mißkredit bringt, wurde beschlossen, den Start zunächst
um zwei Stunden zu verschieben, während deren sich die Nachmittagsböen zu
mäßigen pflegen, und neue Wetternachrichten von dem für solche Zwecke her-
vorragend gut aufgezogenen deutschen Wetterdienst, im vorliegenden Falle
ron der Deutschen Seewarte aus Hamburg, telephonisch einzuholen. Dies geschah
um 20 Uhr. Eine neue Karte der Wind- und Wetterlage über der Ostsee
wurde schnell von mir entworfen. Sie ließ erkennen, daß der Wind in der Kieler
Bucht und über Schleswig-Holstein inzwischen so weit zurückgedreht hatte, daß
nunmehr die dänischen Inseln bestimmt erreicht werden konnten. Auch hatte
der Wind in Kiel selbst nach Südsüdwest bis Südwest gedreht und an Stärke
abgenommen. Es bestand sogar bei dieser Lage die Aussicht, nach Südschweden
zu kommen, doch war das für die Starterlaubnis, die nun von dem äußerst ge-
wissenhaften, erfahrenen Starter, Herrn Paul aus Hamburg, gegeben wurde,
ohne Belang, da dies eine spätere Sorge allein des Führers während der Fahrt
ist. Hierüber kann ein Führer jeweils auch erst während der Fahrt nach der
sich dauernd verändernden Wind- und Wetterlage, nach seinen Beobachtungen,
nach dem Ballastverbrauch und dem noch vorhandenen -vorrat sowie schließlich
nach der Beschaffenheit und Bewährung des Ballons während der ersten Zeit
der Fahrt (Gasverluste durch Undichtigkeit des Ballons usw.) entscheiden.
Vor jedem Start, besonders bei geplanter längerer Fahrt, ist für den Führer
eines Freiballons das Studium der Wetterkarte von entscheidender Bedeutung.
Er sieht in ihr in erster Linie eine Windkarte in die er den Ballon als ge-
triebenes Luftteilchen in Gedanken hineinsetzt, um so den Weg, den der Ballon
nehmen würde, zu bestimmen. Er sucht auch festzustellen, wie sich Wind- und
Strömungskarte in der Zeit zwischen Ausgabe der Karte und Start geändert hat
und wie sich die Isobaren und Fronten während der Fahrt voraussichtlich ändern,
Diese Erwägungen stellt er für die Bodenwinde und die Winde in der Höhe an
und trifft hiernach seine Maßnahmen, ob er starten kann und in welchen Höhen