Robitzsch, M.: Zur Psychrometerfrage,
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darstellen soll, die der „Eigenkonvektion“ des Körpers entstammt. Der Rest-
betrag dm, : dt ist endlich auf den molekularen Austausch an der Grenzschicht
zurückzuführen und besitzt im Vergleich zu den anderen Komponenten, nur
einen kleinen Wert.
Man findet nun durch Versuche, daß bei gegebener Aspirationsgeschwindigkeit
die Komponente dm, : dt für die gleiche Körperform einen einheitlichen Wert
besitzt, der unabhängig davon ist, ob sich die Oberfläche des Körpers in einem
trockenen oder einem nassen Zustande befindet. Das bedeutet nicht nur, daß
die Strömungsverhältnisse um den Körper im trockenen und nassen Zustande
dieselben geblieben sind, es bedeutet auch, daß durch die Anwesenheit des Wasser-
dampfes am nassen Körper der eigentliche Ventilationseffekt nicht verändert
wird. Die Größe dm, : dt weist allerdings in beiden Fällen, wegen der durch
die verschiedene Gleichgewichtstemperatur des trockenen und des nassen Körpers
gegebenen ungleichartigen Instabilitätsverhältnisse, Differenzen auf, die aber rech-
nerisch erfaßt werden können.
In diesen Mechanismus bieten Beobachtungen über den Temperaturabfall
von trockenen und nassen Körpern einen weitgehenden Einblick; solche Expe-
rimente lassen sich mit einfachen Mitteln sehr exakt durchführen. Sie verlangen
allerdings einen guten Beobachter und vor allem eine ausreichend genaue Zeit-
bestimmung. Es ist bei diesen Versuchen streng zu berücksichtigen, daß die
Wärmekapazität des Körpers, dessen Temperaturabfall man beobachtet, sich
wesentlich ändert, wenn man ihn mit einer nassen Hülle umgibt. Diese Tat-
sache wird bei Beobachtungen mit Katathermometern sonst nicht berücksichtigt,
Die für ein Katathermometer angegebene Eichkonstante, die im trockenen Zu-
stande bestimmt wird, gilt nicht mehr für das nasse Gerät. Sie erscheint bei
ihm um etwa 10 % erhöht, Weitere Einzelheiten in betreff des Ventilationsfaktors
habe ich in meiner Arbeit über die „Wechselbeziehungen zwischen der Abkühlungs-
größe eines trockenen und eines feuchten Körpers‘ besprochen. ;
Für meteorologisch-klimatologische Zwecke wird das ventilierte Psychrometer, das Assmannsche
Aspirationspsychrometer, nie durch ein unventiliertes Gerät der gleichen Art verdrängt werden, Die
Entwicklung physio-klimatologischer Beobachtungsmethoden drängt aber neuerlich wieder dazu, das
Verbalten fenchter Körper im natürlichen Ventilationsstrom, also frei von jeglicher künstlichen Aspi-
ration, zu beobachten. Nur diese Tatsache veranlaßte mich, die Theorie des Wärmeaustausches solcher
Körper wieder aufzugreifen. Ich ging mit Absicht von anderen Voraussetzungen aus, wie meine
„Vorgänger“ und glaube, daß der geänderte Standpunkt nicht einen Rückschritt, wie Herr Bongards
meint, sondern einen Fortschritt bedeutet. In der Natur wird kein Körper künstlich belüftet; die
Oberflächen unserer Seen, die mit Pflanzenwuchs bedeckten und auch kahlen Areale der Erdober-
fläche verdampfen Wasser unter natürlichen Ventilationsbedingungen; die Niederschlagsbildung in der
Atmosphäre erfolgt ebensowenig wie dessen Auflösung unter künstlichen Ventilationsbedingungen,
und endlich lebt Tier und Pflanze unter dem Einfluß der natürlichen Luftbewegung. Da scheint es
doch geraten, für die einschlägigen Vergleichsmessungen auch Körper zu verwenden, die der gleichen
Lutftströmung ausgesetzt sind, wie die Natur sie bietet. Daß gerade das nasse Thermometer hier als
Bezugskörper in Frage kommt, habe ich des öfteren hervorgehoben und begründet, Alle diese Fragen
hier noch einmal ausführlich darzustellen, ist in der heutigen Notzeit nicht erwünscht. Das nach-
folgende Verzeichnis mag deshalb dem Leser die Literaturstellen nachweisen, deren Studium zu einem
weiteren Eindringen in den von mir behandelten Stoff notwendig erscheint.
Schrifttum.
Äquivalenttemperatur und Aquivalentthermometer. Met, Zeitschr. 1928, Heft 8, — Die Ab-
kühlungsgröße als Grundlage physioklimatischer Untersuchungen, ‚Jahrb. d. strahlungsklimat. Stations-
netzer im deutschen Nordseegebiet (Dornoband), (im Druck). — Abkühlungsgröße, Katathermometer
und Äquivalenttemperatur. Gerl. Beitr. z, Geophys, 1930, Bd. 25, S. 194ff. — Beiträge zur Behand-
lung klimatologischer Fragen auf physiologischer Grundlage. Ann, d. Hydr. 1931, S. 73ff, — Bemer-
kungen zu der Arbeit von v. d. Borne: Verdunstungsstudien, Ann, d. Hydr. 1931, S. 152ff, —
Über Tau-Reif- und Rauhbreifbildung. Ann. d. Hydr. 1931, S. 171ff. — Unter welchen Bedingungen
ist die Verdunstungsgröße der psychrometrischen Differenz proportional? Gerl. Beitr. z. Geophys,
1931, Bd. 32, S. 2021f. — Zur Theorie des Psychrometers, Zeitschr. f. Instr. 1932, S. 80ff. —
Über einen systematischen Fehler bei psychrometrischen Feuchtigkeitsbestimmungen. Ann, d. Hydr,
1932, S. 65ff. — Der Ventilationsfaktor. Gerl, Beitr, z, Geophys. 1932, Bd. 36, S. 133ff. — Einige
Betrachtungen über die Psychrometerkonstante. Gerl. Beitr. z. Geophys. 1932, Bd, 35, S. 382ff. =
Über die Vereisung von Luftfahrzeugen, Beitr. z. Phys. d. fr. Atmosph, 1932, Bd, 18, S. 2351f. —
Die Wechselbeziehungen zwischen der Abkühlungsgröße eines trockenen und eines feuchten Körpers,
Gerl. Beitr. z. Geophys. 1932 (im Druck). — Bemerkung zu meiner Arbeit: Einige Betrachtungen über
die Psychrometerkonstante, Gerl. Beitr. z, Geophys. 37, H. 4, 1932.