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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, April 1933.
13. Die Entstehung der Gewitter,
Wir haben gesehen, wie bei den untersuchten Nachtgewittern der Jahre 1928
bis 1931 in den oberen Schichten keinesfalls kältere Luft herangeschalft wird.
Auch in den unteren Teilen der Atmosphäre ist es nach den Gewittern wärmer
als am Morgen vorher. Allerdings wird am nächsten Morgen bereits vielfach
wärmere Luft durch kältere ersetzt, was besonders die Winddrehungen beweisen,
und ein Teil der behandelten Gewitter tritt sicher an der unteren Kaltfront auf,
Andererseits aber ist gerade bei den eingehend untersuchten Fällen ein Wärme-
einbruch zu erkennen, so daß ein großer Teil der Gewitter schon an der Wärme-
zunge entstehen wird, die sich stets von Süden nach Norden vorstreckt. Mit
diesen Gewittern ist meist Druckfall verbunden, und besonders auffällig sind
die dabei auftretenden starken Luftdruckschwankungen, wie sie kürzlich auch
Letzmann?!) erwähnt hat,
Regelmäßig zieht eine Druckwelle von SW heran, die ihren Sitz in den oberen
Luftschichten hat und nicht thermisch bedingt ist. Dem Druckfall geht in
allen Fällen ein Anstieg voraus, der eine Verlagerung des vom Azorenhoch sich
ablösenden Teilhochs nach Mitteleuropa veranlaßt, das aber schnell nach Osten
abzieht und einen charakteristischen Keil zur Ostsee erstreckt. Schon bald nach
Abzug dieses Keils treten die Gewitter au{; es handelt sich also um eine schnell
wandernde Antizyklone, in der in den oberen Schichten noch keine starke Er-
wärmung eingetreten ist,
Es folgt rasch von Westen das nachfolgende primäre Druckwellental. Vor
seinem Erscheinen herrschte in allen Schichten bei südwestlichen Winden ein von
SE nach NW gerichtetes normales Temperaturgefälle, Jetzt wirkt auf die Luft-
bewegung zunächst in allen Schichten eine gleich starke, nach Norden gerichtete
Zusatzkomponente durch den im Westen eintretenden Druckfall ein, Damit wird
aber wärmere Luft nach Norden transportiert. Diese verstärkt jetzt in den
unteren Schichten den Druckfall durch ihren statischen Effekt, den wir im Mittel
zu 34% gefunden haben. Dadurch wird aber in den unteren Schichten eine
stärkere, nach Norden gerichtete Beschleunigung skomponente wirksam als weiter
oben. Die Südkomponente des Windes muß unten stärker werden. Am Erd-
boden verhindert die Reibung eine schnellere Bewegung, deshalb müssen wir den
stärksten nach Norden erfolgenden Wärmetransport in den Schichten von 500 bis
1000 m finden, was unsere Berechnungen bestätigt haben.
Es muß also durch den primären Fall im Zusammenhang mit dem ein-
setzenden statischen Druckrückgang hauptsächlich im Niveau von 1000 m Warm-
luft nach Norden geschafft werden, während in größerer Höhe dieser Wärme-
transport geringer wird. Hinzu kommt jetzt noch, daß eine Konvergenz ein-
setzt, die eine allgemeine Hebung der Luftschichten veranlaßt — wobei die
untere Warmluft vielfach noch an einer kühleren Ostströmung aufgleitet —, so
daß in der Höhe deshalb wieder Abkühlung bei starker Zunahme der Feuchtig-
keit eintritt. So finden wir stets unten starke Erwärmung und in der Höhe
geringe Abkühlung. Damit wird die Schichtung aber sehr labil. Und so kommt
es bereits weit vor der Kaltfront zu einem allgemeinen Umsturz der Luftmassen.
Da der Warmluftnachschub von Süden zunächst nicht aufhört, halten diese Ge-
witter lange an und wiederholen sich gern, vielfach entladet sich an der Kalt-
front das letzte Gewitter bei beginnendem Druckanstieg. So zeigt uns ja such
die Linksdrehung des unteren Windes, daß morgens ein Zustrom kühlerer Luft
beginnt. Vielleicht entstehen auf die gleiche Art auch die kürzlich von Geiger“)
erwähnten Doppelgewitter. In Abb. 20 erkennen wir direkt, wie sich in den
unteren Schichten eine Wärmezunge weit nordwärts nach Hamburg, also in das
Gewittergebiet, hinein erstreckt, während der Wärmevorstoß in der Höhe (Abb, 22)
nicht zu erkennen ist. Auch die Beschreibung eines „Vorgewitters“ von Pernice®)
hat Ähnlichkeit mit der Schilderung eines Warmfrontgewitters, und es ist viel-
4) J. Letzmann, Über die Anwendbarkeit der Frontenmerkmale. Das Wetter 48, 8, 275 (1931). —
2 EB. Geiger, Ein besonderer Fall von Doppelgewittern, Das Wetter 48, 8, 330 (1931), — 4 E. Pernice,
Über Doppelgewitter, Zschr, f, angew. Meteorol. 49, S. 182 (1932),