450 Amnalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Oktober 1900,
‚äßt, Unter wahrscheinlichem Ballonort ist der Ort verstanden, der den
astronomischen Beobachtungen genau entspricht und an dem sich der Ballon
befunden haben würde, wenn. die Beobachtungen fehlerlos wären. Der Ballon-
führer, der, außer Sicht der Erde, sich nach astronomischen Beohachtungen
orientieren. will, kann nur den wahrscheinlichen Ballonort finden. Da die Beob-
achtungen mit den im Ballon zur Verfügung stehenden Instrumenten an sich
schon recht ungenau sind, so brauchen die zur Berechnung der Beobachtungen
benutzten Methoden nicht ganz genau zu sein, andererseits dürfen sie aber auch
nicht zu ungenau werden, um eine eventuelle Anhäufung der Fehler zu vermeiden,
Um im Verein mit den Beobachtangsfehlern die nach Mareuse genügende
Genauigkeit von rund 10 Bogenminuten im Rahmen des bei den vorliegenden
Problemen überhaupt möglichen festzuhalten, ist eine Genauigkeit von etwa
3 bis 4 Bogenminuten für die Rechenmethoden genügend und erforderlich, Es
mag dabei aber gleich vorausgeschickt werden, daß die Im folgenden angegebenen
Methoden auch einer größeren. Genauigkeit fähig sind, .
Den im Ballon zur Verfügung stehenden Instrumenten entsprechend, gibt
es zwei Arten der Ortesbestimmeng: die »Ortsbestimmung nach einem Gestirn«
und die »Ortsbestimmung nach zwei Gestirnen«, Die Ortsbestimmung nach
einem Gestirn erfolgt durch möglichst gleichzeitige Messung der Höhe (h) und
der magnetischen Peilung (FI) des Gestirns, Sie tritt ein, wenn nur ein Gestirn
verfügbar ist, also vorzugsweise am Tage, aber auch nachts, wenn nur der Mond
oder ein hellerer Stern alleim durch Wolkenschleier oder Lücken hindurch
sichtbar ist, Die Ortsbestimmung nach zwei Gestirnen erfolgt dureh
möglichst gleichzeitige Messung der Höhen der beiden Gestirne. Sie tritt vor-
zugsweise des Nachts ein, wird aber auch in der Dämmerung, wenn einige helle
Sterne zu beobachten sind, und am Tage, wenn Sonne und Mond zleichzeitig am
Himmel stehen, sehr gute Dienste leisten, ’)
Für jede dieser beiden Gruppen gibt es zur Auswertung der Beobachtungen
einheitliche Methoden, so daß man mit zwei Rechenmethoden in allen Fällen
auskommt und dem Ballonführer die Unterscheidung vieler einzelner Fälle er-
spart bleibt, Welche von den nachstehend aufgeführten Methoden die zweck-
mäßigsten sind, mag dahingestellt bleiben, Sie scheinen mir auch die kürzesten
und einfachsten der bisher bekannt gewordenen Methoden zu sein und setzen
nur eine so allgemeine Kenntnis des mutmaßlichen Örtes voraus, wie sie der
Ballonführer immer haben wird”) Die beiden Rechenmethoden unterscheiden
sich auch nur durch die Art der Einschaltung des wahrscheinlichen Ballonortes,
während die eigentliche astronomische Rechnung in beiden Fällen dieselbe ist,
so daß man eigenilich auch von KEinheitsmethoden, die Tür alle Fälle der
Navigation im Ballon ausreichen, sprechen kann.
Die Ermittlung des Ortes ist entweder nur eine rohe, die mit Hilfe der
von mir herausgegebenen »Meßkarte zur Auflösung sphärischer Dreiecke« (Trans-
formator), Dietrich Reimer, Berlin 1905, erfolgt, oder eine genauere, die mit
Hilfe von Rechnung, Hilfstafelm oder genaueren Diagrammen ausgeführt werden
kann, Der genaueren Ortsbestimmung geht zweckmäßig die rohe immer voraus,
damit die Grundlagen für die genauere Bestimmung‘ nicht allkaschr vom wahr-
scheinlichen. Ballonort abweichen. Die Methoden sind für beide Arten im
wesantlichen dieselben.
4 Diese Art der Einteilung erscheint mir logischer, als die Kintelung in »Ortebestimmong
bei Tage« und »Ortebestimmung bei Nacht« und aueh didaktisch wertvoller, indem sie gleich darauf
hinweist, daß die soviel genanere Ortsbestimmung nach zwei Gestirben nicht nur nachts, sondern
häufig auch am Tage möglich ist.
2 Im Gegensatz hierzu verlangt ein Teil der Marcuseschen Methoden eine so genaue
Künnteis des voraussichtlichen Ballonortes, wie sie ein Ballonführer außer Sicht der Erde picht
ahben kann.