Brehmer, K.: Beitrag zur atmosphärischen Refraktion über Wasserflächen, 323
temperaturen sich unregelmäßig ändern können.') Solche Messungen können
manchmal ohne Schwierigkeit auf einem in der Visierrichtung oder in seiner
nächsten Nähe gelegenen Feuerschiff angestellt werden,
Die Nautik ist darauf angewiesen, die auf die Kimm bezogenen Gestirns-
höhen von der irdischen Strahlenbrechung zu befreien, Um die unsichere Re-
fraktionsberechnung vermeiden. zu können, sind verschiedene Instrumente in den
letzten beiden Jahrzehnten ersonnen, die aber sämtlich nicht allen Anforderungen
genügen, Bei dem einfachsten dieser Instrumente, dem Libellensextant, wird die
zu beobachtende Gestirnshöhe durch eine Röhrenlibelle auf die Horizontale be-
zogen. Da die Empfindlichkeit der Libelle nicht sehr groß sein darf (2 bis 3%,
damit sie noch beim Halten des Instrumentes in der freien Hand zum Einspielen
gebracht werden kann, ist die Genauigkeit des Libellensextanten gering und ent-
spricht nicht den Hoffnungen,*) die man anfänglich auf sie gesetzt hatte.) Der
von Kapt. Fleuriais erfundene Gyroskopsextant,*) der auf der Vertikalstellung
der Achse eines rotierenden Kreisels beruht, ist infolge seiner umständlichen
Handhabung für den Bordgebrauch recht schwierig.
Andere Instrumente sollen dazu dienen, direkt die Kimmtiefen zu bestimmen,
solche sind von Ferguson, ”) Blish,®%* Kohlschütter,’) Koß,*) Defabre® und
Dr. Pulfrich”) konstruiert. Sie gehen alle von der Voraussetzung aus, daß die
Kimmtiefe nach zwei entgegengesetzten Seiten des Horizontes mit gleicher Re-
[raktion behaftet sei, Da dieses aber in der Regel nicht der Fall ist, so erfüllen
diese Instrumente den beabsichtigten Zweck auch nicht ganz,
Die verhältnismäßig befriedigende Darstellung der Refraktion in höheren
Luftschichten bei der Höhenbestimmung Helgolands dürften nicht den Schluß
zulassen, daß die Kohlschüttersche Formel dieselben Dienste zur Befreiung der
Kimmstrahlen von der Refraktion leistet. Helmert kommt bei der Diskussion
der Höhenbestimmungen Schillig—Wangeroog und Cuxhavren— Neuwerk sowie
der Koßschen Kimmtiefenbeobachtungen zu dem Ergebnis, !*) daß in den untersten
Luftschichten — etwa 3 m über dem Wasser — eine Darstellung der Refraktion
durch eine Formel doch wohl unmöglich sein dürfte.
Nachtrag.
Im folgenden ist der Versuch gemacht worden, die im Jahre 1878 beob-
achteten Zenitdistanzen Helgoland—Neuwerk, für die infolge geringer Windstärke
die Kohlschüttersche Refraktionsformel nicht anwendbar ist, nach der Art der
Tafel 82 der Nautischen Tafeln (herausgegeben vom Reichs-Marine-Amt) aus-
zuwerten. Danach wird das Lufttemperaturgefälle durch Beobachten der Luft-
temperatur in verschiedenen Höhen übereinander ermittelt.
Zur folgenden Berechnung konnte das Lufttemperaturgefälle z in Neuwerk
aus Temperaturbeobachtungen gewonnen werden, die 22.6 m übereinander lagen,
in Helgoland betrug dieser Höhenunterschied 11.0 m. Obgleich die Thermometer
auf Zehntelgrade abgelesen waren, dürfte die Unsicherheit des aus Lufttemperatur-
messungen gewonnenen Wertes z7 beträchtlich sein, jedoch nicht so groß, daß
damit die auffallenden Unterschiede für die beiden Beobachtungsorte und die
große Abweichung der Werte f,, und 180 + 7 — 5, gegen den vorher ermittelten
‘') »Publications de Cireonstances Nr. 14, Juli 1904, Oberflächentemperaturmess, in der
Nordsee, mitget, von van Everdingen und ©. H, Wind, Im Bulletin 1904 his 1903 gibt Knudsen
eine Oberflächentemp.-Karte d, Atlant, Ozeans u, d. Nordsee,
?, Nach gütiger Mitteilung von Herrn Prof, Stück, Deutsche Seewarte.
3) ‚Ztschr, f; Verm,.« 1900. 8. 313: Hammer, Refraktion über große Wasserflächen,
4 ‚Zischr, £. Instr. Kde,« 1888, 5,23, Verbesserungen dazu: 1. »Mech, Zip. 1904. S. 59
2. Fave, Notice sur l’horizon gyröscopique, »Ann. hydr.« II. 26, S. 49, 1904, besprochen von Kohl-
schütter, »Ztschr. £ Instr. Kde,« 26,, S 27, 1906. Siche auch: Kohlschütter, Über die neueren
Entw. d, naut. Instr., »Mech, Zty.« 1906, S. 35.
“ »Annal, d. Hydı.» 1902; 8. 502,
*) Besprochen von Kohlschütter, »Ann, d, Hydr.« 1904, 8. 84.
’} +Annal, d, Hydr.« 1903, S. 533
5 ‚Mech, Zte.« 1906, 8, 35,
34 »*Ztschr. £ Iostr. Kde,< 1904, ©. 225; besprochen von Stück, »Annal. d., Hydr.« 1904,
8. 520. »Marine-Rundschau« 10907, 8. 197: Moll teilt Ergebnisse seiner mit Pulfrichs Kimm-
tiefenmesser angestellten Beobachtungen mit.
10) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss, 1908, SS. 511.