Brehmer, K,: Beitrag zur atmosphärischen Refraktion über Wasserflächen, 307
in den Tropen und Fisher in arktischen Gegenden die Abhängigkeit der Strahlen-
brechung vom Temperaturunterschied zwischen Wasser und Luft fest.!)
Erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts begann man plan-
mäßig die Strahlenbrechung über Wasserflächen zu untersuchen, In den Jahren
1863 bis 1876 stellte E. Kayser?) eingehende Beobachtungen des Seehorizontes
an, die aber zu keinem Ziele führten, da die Wassertemperaturen nicht beobachtet
wurden, Die von ihm berechneten Werte des Refraktionskoeffizienten schwanken
zwischen + 0.55 und — 0.14. Eine fernere Reihe von Refraktionsbeobachtungen
wurde von F, Lingg‘) am Starnberger See vorgenommen, der zu dem Schlusse
kam, daß die starke Veränderlichkeit der Strahlenbrechung yon einer Veränder-
lichkeit des Temperaturgefälles der Luft herrühren müsse, Die ersten brauch-
baren Messungen unter Berücksichtigung sämtlicher meteorologischer Elemente,
besonders mit Angabe der Wassertemperaturen, wurden auf dem französischen
Schiffe »La Galisonniere«*) im Indischen Ozean und im Chinesischen Meere von
E, Perrin angestellt, doch gelang ihm der Nachweis des Zusammenhanges der
Refraktion und des Unterschiedes der Luft- und Wassertemperatur noch nicht,
Einige von Forel% am Genfer See angestellte Beobachtungen weisen starke
Ungenauigkeiten”) auf und sind auch wegen der besonderen Temperaturverhält-
nisse des von Gebirgen eingeschlossenen Sees nicht auf allgemeine Verhältnisse
anwendbar.
Aus umfangreichen Kimmtiefenbeobachtungen, die er 1897/98 auf dem
österreichischen Kriegsschiffe »Pola«"“) im Roten Meere und 1899 in Verudella”)
anstellte, leitete Koß®) eine Formel zur Bestimmung des Refraktionskoeffizienten
ab unter Berücksichtigung des Unterschiedes der Luft- und Wassertemperatur,
Sein Formelausdruck stimmt mit dem Werte überein, den die auf der »Gali-
sonniere« ausgeführten Messungen ergeben, wenn man in letzteren einen konstanten
Temperaturfehler annimmt, Die Beweiskraft dieser Übereinstimmung ist jedoch
nicht sehr groß, da die auf der »Galisonniere« angestellten Beobachtungen bei
Unterschieden der Luft- und Wassertemperatur nur bis zu 4° angestellt sind,
die Koßschen dagegen bei solchen bis zu 9°, Untersuchungen des Koßschen
Formelausdruckes durch Kimmtiefenbeobachtungen sind von verschiedenen Seiten
versucht worden, doch haften allen diesen Messungen Ungenauigkeiten an, die
den. Erfolg der Untersuchungen yereiteln.?)
Gegen die Theorie der Koßschen Formelentwicklung erhebt E. Kohl-
schütter Einwendungen.) Während Koß der Auswertung seiner Beobachtungen
von Beginn an die Annahme zugrunde legt, daß der Lichtstrahl ein Kreisbogen
sei, sieht Kohlschütter in seinen Ausführungen zunächst von dieser Annahme
ab und kommt dadurch, daß er diese Annahme erst sehr viel später als Koß
AD The practice of navigation, London, 10, Aufl, 1870, 8. 61 und 62% Siehe auch
Magnaghi, Gli instrumenti a riflessione, Pisa 1875, 5. 255.
2 E. Kayser, Beobachtungen über Refraktion des Sechorizontes und des Leuchtturmes von
Hella. Schriften dd, naturforsch. Ges. in Danzig, Neue Folge, IV. Band, 2, Heft 1877,
3 FF. Lingg, Über die bei Kimmtiefenbeobachtungen am Starnberger See wahrgenommenen
Refraktionserscheimuungen, Nova acta Acad, Leopold. 1889.
7 Comptes rendus der französ. Akad. d, Wissenschaften 1886, S. 405.
$ F. A. Forel, Les varlations de T’horizon apparent, Comptes rendus 1209. 1899, &. 272,
5 Denkschriften der Kals, Akad, d. Wissensch, Wien 1901, Bd. 69, 8, 1.
') Ebenda Ba. 70, 8. 347.
4 K. Koß, Über Kimmtiefenbeobachtungen zur Erhebung des Refraktionskoeffizienten, »Mit-
teilungen aus d. Gebiete d. Seewesens«, Pola 1897. 5. 455. Ders, Über Refraktionsbeobachtungen,
‚Mitteilungen aus d, Gebiete d, Seewesens«, Pola 1898, 8. 1001.
— % 1, Ferguson, Mit einem Sextanten von 10” Angabe, Siche: Messerschmidt, ‚Anm, d.
Hrdr.« 1902. 8.501. Die Beobachtungen sind graphisch mitgeteilt: »De Zee« 1902. 5. 357 bis 361.
2, Auf d. Vereinigten Stanten-Schiff »Alert« mit Sextant und navigators prism., mitget. ron
Koß, »Mitt, a. d. Geb, d. Seewesens« 1903. Nr. X. N |
3. Dr. Harry Meyer, Mit Sextant und Prismenkreis (10% bzw. 20" Angabe, »Ann. d.
Hydr.« 1906. 8. 438, |
4, Kapt, Moll, Mit Pulfrichs Kimamtiefenmesser, »Marine-Rundschau« 1907. 8. 197,
9) E, Kohlschütter, Folgerungen aus den Koßschen Kimmtiefenbeobachtungen, »Ann, d.
Hrdr.« 1903, RR. 5833.