Sandström, J. W.: Über die Bewegung der Flüssigkeiten,
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richtung jeder Trennungslinie strömt. Man kann dann eine linke und eine rechte
Seite der Linie unterscheiden, indem man sich so stellt, daß man längs derselben
in der Strömungsrichtung blickt. Wenn die Flüssigkeit von beiden Seiten in die
Linie hineinströmt, wie das erste Gebilde in Fig. 2 auf der Tafel 27 andeutet,
wollen wir sie eine Kontraktionslinie nennen; wenn dagegen die Flüssigkeit nach
beiden. Seiten hin ausströmt, wie das zweite Gebilde dieser Figur zeigt, soll sie
eine Ausdehnungslinie genannt werden,
Wenn die Flüssigkeit auf der einen Seite einer Trennungslinie hineinströmt
und auf der andern Seite derselben herausströmt, wie es im vierten und siebenten
Gebilde der Tafel 27, Fig. 2, veranschaulicht wird, so soll sie eine Doppellinie
genannt werden. Findet Einströmung auf der linken Seite statt, wie im vierten
Gebilde, so nennen wir sie eine links einströmende Doppellinie. Die Trennungslinie
des siebenten Gebildes nennen wir dagegen eine rechts einströmende Doppellinie,
Das dritte Gebilde der Tafel 27, Fig. 2, zeigt das Stromliniensystem,
welches das Ausbilden einer links einströmenden Doppellinie begünstigt, das
vierte Gebilde zeigt den Zustand, wenn die Linie eben ausgebildet worden ist,
und das fünfte Gebilde die weitere Entwicklung dieses Zustandes, d.h. die Zwei-
teilung der Linie im eine Kontraktionslinie links und eine Ausdehnungslinie
rechts, Das sechste, siebente und achte Gebilde zeigen die entsprechenden Vor-
gänge bei den rechts einströmenden Doppellinien, Diese Vorgänge sind um-
kehrbar, d.h. eine Kontraktions- und eine Ausdehnungslinie, die anfangs vwor-
handen sind, können sich zu einer Doppellinie vereinen, wonach diese verschwindet
and das Stromfeld ein regelmäßiges wird. .
Das Entstehen der Trennungslinien in einem regulären Stromliniensystem
Äindet wahrscheinlich immer mit Hilfe von Doppellinien statt, die sich später in
der auf Tafel 27, Fig. 2, angedeuteten Weise in je zwei Linien teilen. Die auf
diese Weise gebildeten Trennungslinien müssen dann immer paarweise auftreten,
Wenn es dagegen einen singulären Punkt gibt, z. B. den Mittelpunkt eines
Wirbels im Stromsystem, s0 kann aus demselben eine einzelne Trennungslinie
ausgeschieden werden, wie es auf Tafel 27, Fig. 1, gezeigt wurde, Auch von den
Ufern eines Flusses scheiden sich sehr oft einzelne Trennungslinien aus, namentlich
wenn derselbe in Windungen läuft.
IL.
Dieses Verfahren, die Stromlinien der Flüssigkeiten mittels Isogonen zu
konstruieren, wird natürlich in der Hydrographie sowohl wie in der Meteorologie
gute Anwendung finden, Ein Beispiel dafür aus ersterem Gebiete stellt Textfigur 1
dieser Abhandlung dar, Ebenfalls auf hydrographische. Verhältnisse habe ich
das Verfahren weiter noch in meinem Aufsatze über die Windströmungen im
Gullmarfjord praktisch angewandt.!) Hier will ich nun auch noch ein Beispiel
zus der Meteorologie anführen, um zu zeigen, wie man die Stromlinien des
Windes an der Erdoberfläche zeichnet.
Zu diesem Zweck trägt man auf einem gewöhnlichen synoptischen Karten-
Formular die Windrichtungen mit den Zahlen ein, die von den verschiedenen
Beobachtungsstationen telegraphisch eingelaufen sind, und verbindet die Stationen,
bei denen die gleiche Windrichtung beobachtet wurde, durch Linien, die somit
die Isogonen des Windes darstellen. Diese Linien werden dann mit einer großen
Anzahl kleiner Striche versehen, welche die Windrichtung an ihnen angeben,
Tafel 28 zeigt eine derartig entworfene Windkarte für den 8.) Januar 1908,
) Uhr abends, Darauf zeichnet man die Tangentenlinien dieser Striche ein, und
diese nun sind die Stromlinien des Windes, Tafel 29 zeigt die aus Tafel 28 in
Jieser Weise hergeleijteten Stromlinien des Windes am 8.7) Januar 1908, 9 Uhr abends,
Diese Anwendung der Isogonenmethode ist offenbar nichts anderes als ein
rationelles Verfahren, um die wahrscheinlichsten Windrichtungen in den Zwischen-
5 J. W. Sandström, Windströme im Gullmarfjord, Svenska Hydrografisk-Biologiska
Kommissionens. skrifter. Gothenburg 1905, *
2) Berichtigung Auf den Tafeln 28 und 29 ist versehentlich als Datum der 9. Januar an-
zegeben, was hiermit berichtigt wird.