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Full text: 37, 1909

Amundsen, R.! Zur Erforschung des Nordpolarbeckens, 
die nicht Kenntnis neuer Länder brachte, sondern nur neuer Meere, schien man 
als negatir anzusehen, Es ist Jeicht erklärklich, daß dies bei den früheren 
Expeditionen der Fall war, Die Hoffnung auf Gewinn und Macht war die Trieb- 
kraft und diese konnte selbstredend nur auf dem festen Lande befriedigt werden. 
Die Bedeutung des großen Meeres erkannte niemand, So gelang es, den größten 
Teil des Landgebietes in verhältnismäßig kurzer Zeit zu erforschen und bekannt 
zu machen, Aber mit dem Fortschreiten der Kultur entstand auch der Gedanke 
an die Erforschung des Meeres, als eine vielleicht ebenso große Notwendigkeit 
als die des Landes, Insbesondere steigerte sich das Interesse für die unbekannten 
Tiefen des Meeres, als man das Telegraphenkabel über den Atlantischen Ozean 
legen sollte. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts sind bedeutende Expeditionen 
dieser Art von fast allen seefahrenden Nationen ausgesandt worden. . 
Wie ich vorhin erwähnte, war die »Fram«-Expedition in verschiedenen 
Beziehungen von außerordentlicher Bedeutung, Wenn es indessen Nansen nicht 
vyelang, alle Rätsel, die das Polarbecken bietet, vollständig zu lösen, #0 liegt die 
Ursache in den mangelhaften ozeanographischen Methoden der damaligen Zeit. 
Nach den Fortschritten, welche die Methodik später gemacht hat, wird dies sich 
anders gestalten. Eine Expedition mit einer Ausrüstung der jetzigen Zeit wird 
in das Polarbecken eindringen können mit der Aussicht, vieles von dem aufzu- 
klären, was noch unverständlich für uns ist. 
Im Folgenden werde ich versuchen darzulegen, welche Probleme für eine 
derartige Expedition vorliegen werden, ihre Bedeutung und die Weise ihrer Lösung, 
Als Nansen im Jahre 1893 hinausreiste, nahm er — wie er selbst sagt — 
an, ein verhältnismäßig seichtes Polarmeer zu finden und war daher nicht mit 
Lotmaterial für größere Tiefen ausgerüstet, Es zeigte sich indessen, daß diese 
seine Annahme nicht zutraf, Anstatt des seichten Polarmeeres fand er ein Meer 
mit einer Tiefe bis zu 4000 m. Unter diesen Verhältnissen wurde das Loten 
eine sehr schwierige Sache, Welche Anstrengungen die Teilnehmer der »Fram«- 
Expedition machten, um sich die Lotleinen für diese großen ungeahnten Tiefen 
zu verschaffen, wird uns allen noch erinnerlich sein; sie brachten es fertig und 
konnten eine Anzahl sehr wichtiger Lotfungen vornehmen, die uns zeigten, daß 
hier noch Arbeit genug vorliegt. Aber mit ihren primitiven Geräten konnten 
sie den Forderungen nicht vollständig genügen, welche die moderne Meeres- 
forschung‘ stellt, Auch war die eine Linie, über welche »Frame trieb, nicht 
genügend, um die Gestaltung des ganzen Meeres festzustellen. Mit Sicherheit 
wissen wir daher noch nichts über die Größe, die Form und die größten Tiefen 
dieses tiefen Beckens, Die Methoden der Lotung im tiefen Meere sind jetzt sehr 
gut. Mit Hilfe von Pianosaiten und einer Winde mit Auswechslung kann man 
nämlich in ganz kurzer Zeit Lotungen bedeutender Tiefen vornehmen, wo z.B. 
die »Fram«-Leute tagelang mit großer Mühe daran arbeiten müßten. 
Tafel 4 gibt eine Grundkarte des Polarmeeres und der angrenzenden 
Meeresgebiete nach Fridtjof Nansen.*‘) Bezüglich des Polarmeeres selbst sind 
die einzigen Teile, für die die Tiefen sicher festgestellt sind, diejenigen, welche 
längs des Kurses der »Fram« liegen, Alles andere sind Mutmaßungen. Der 
tiefe Teil des Beckens wird in gleicher Weise wie im Norwegischen Meer von 
verhältnismäßig steilen Bodenerhöhungen begrenzt. Zwischen diesen und dem 
Lande sind flache Bankpartien von wechselnder Breite, 
Auffallend ist der große koöntinentale Sockel nördlich von Sibirien, wo 
diese seichten Partien eine bedeutend größere Ausdehnung haben ‚als an den 
meisten anderen Stellen der Erde, Den kontinentalen Sockel nördlich von Amerika 
kennt man noch nicht, 
Nansen hat nach seinen Untersuchungen mit »Fram« angenommen, daß 
zwischen Nordost-Grönland und Spitzbergen ein Rücken vorhanden ist, welcher 
die tiefen Teile des Norwegischen Meeres von denen des Polarmeeres trennt. 
Der Anfang dieses Rückens auf der Seite bei Spitzbergen ist durch Lotungen 
nachgewiesen worden, und die von der »Dänemark«-Expedition gemachte Ent- 
4} Geographical Journal 1907, Vol 30,
	        
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