‚52
Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, November 1895,
irümmert, wobei die Besatzung haarsnahe ertrunken wäre. Während der nächsten
paar Tage, beim weiteren Vordringen in die Fünfziger, behielten Luft und
Wasser dieselbe Temperatur bei, 44° F (6,7° C). Eine grofse Menge von Pinguinen
wurde gesehen, die herumsprangen wie kleine Tummler. Wir trafen mehrere
Eisberge von 100 bis 150 Fufßs (30 bis 45 m) Höhe an. Diese Berge bildeten eine
feste schwimmende Eismasse mit senkrechten Wänden und einer ununterbrochenen
Fläche obenauf.
Am 6., in 58° 14’ Breite und 162° 35‘ O-Lg, sichteten wir eine ungeheure
Eisbarriere oder Kette von Eisbergen, die sich nicht weniger als 40 bis 60 Meilen
von SO nach NO erstreckte, oder vielmehr, soweit das Auge reichte; der höchste
Punkt mochte etwas über 600 Fufs (180 m) erreichen, Diese Barriere sah dunkel-
grau aus und in einiger Entfernung Land sehr ähnlich. Mehrere Eisberge,
ähnlich den vorher angetroffenen, trieben in allen Richtungen umher und waren
öhne Zweifel Kinder dieses aufserordentlich grofsen Ungethüms. Hier entdeckten
wir, dafs unsere Schraube in Unordnung war, ein furchtbarer Schlag für uns
Alle. Ein solcher Unfall wäre am Tage vorher mitten im Eis vielleicht ver-
hängnifsvoll gewesen, da wir einmal Segel pressen und die Maschine mit voller
Kraft arbeiten lassen mußten, um nur zwischen zwei grofsen Bergen heraus-
zukommen. Da es nicht gerathen schien, mit dem verkrüppelten Schiff im Eise
weiter vorzudringen, steuerte der „Antarectic“ wieder nordwärts und ankerte,
degünstigt durch schwere Südoststürme, am 18, in Port Chalmers, wo der Schaden
bald ausgebessert war. Nachdem wir noch einige neue Leute von der Steward-
Insel bekommen hatten, ging es am 28. November wieder südwärts. Günstige
Winde, bei einem Barometerstande von ungefähr 29 Zoll (737 mm), dauerten an,
bis wir wieder die Fünfziger erreicht hatten. Als wir in 55° waren, hatte
ans der Albatrofs verlassen, ebenso die Kap-Taube (Daption capensis), aber
der weilßsbäuchige Sturm-Petrel folgte uns noch immer. Eine Lestris-Raubmöwe
/skua) mit dunkelbraunem Kopf und weißgeränderten Flügeln und ein kleiner
blauer Petrel zeigten sich; ich verlangte sehr danach, eines dieser Vögel habhaft
zu werden, hatte aber gar keine Gelegenheit dazu. Am 7. Dezember sichteten
wir die Kante des Packeises und schossen unseren ersten Seehund, der zur
gewöhnlichen grauen Art gehörte und dessen Fell durch mehrere tiefe Furchen
jeschädigt war. Wir hatten sehr starken Schneefall, und das Schiff war zum
ersten Male an Deck und in der Takelage von Schnee bedeckt. Am 8. Dezember,
in 62° 45 Breite, 171° 30' O-Lg, trieben grofse Eisströme (?D. R.) um uns herum;
sin starker Eisblink erschien in südlicher Richtung, und die Anwesenheit des
eleganten weifsen Petrel (Porcellaria navea) gab uns die Gewißheit, dafs wir nun
die grofsen Eisfelder vor uns hatten, in die der kühne Brite, Sir James Ross, vor
50 Jahren, am 5. Januar 1841, mit seinen berühmt gewordenen Schiffen „Erebus“
and „Terror“ erfolgreich eindrang. Am Abend arbeiteten wir uns langsam in
die äufsere Kante des Packeises, die aus grofsen und schweren kegelförmigen
Eismassen bestand, zwischen den grofsen Schollen hinein.
Von Meeresthieren sah ich Mengen der Argonauta antäretica überall im
Packeise; gewöhnlich schwammen sie in den Höhlungen der Eisschollen herum,
wobei sie offenbar einen Zufluchtsort vor ihren Feinden, den Walen, suchten, die
hauptsächlich davon leben. Die grofsen Finnwale, in Norwegen Blauwale genannt,
spritzten in allen Richtungen ihre Strahlen auf; aber da wir nicht mit den
nöthigen Mitteln versehen waren, um diese Ungethüme zu tödten, mußten wir
sie nach einigen erfolglosen Versuchen in Ruhe lassen.
Die weißen Petrels waren hier zahlreich, und ich verschaffte mir einige.
Der weifsbäuchige Petrel verschwand an der Kante des Packeises und überliefs
die Eisgegenden seinen abgehärteteren Brüdern, dem schwarzbäuchigen Petrel.
Wir schossen mehrere Seehunde, aber sie waren nur sehr spärlich vertreten, und
wir sahen selten mehr als einen oder zwei zusammen, nie mehr als sieben, die
meisten mit Narben und Furchen in der Haut.
Sir James Ross bemerkte ähnliche Wunden an den Seehunden, und es
wurde vermuthet, dafs sie von den grofsen scharfen Hauern herrührten, womit
die Seeleoparden versehen sind, und dafs sie sich in Kämpfen untereinander diese
Wunden beibrächten. Aber meiner Ansicht nach müssen diese Wunden von einem
Feinde ganz anderer Art, als der Seehund ist, herstammen. Die Wunden gleichen
nicht den gewöhnlichen Schnitten, wie sie ein Hauer oder Zahn verursacht; sie