Libbey: Die Beziehungen des Golfstromes und der Labrador-Strömung. 417
ungefähr aus südöstlicher, die andere aus nordwestlicher Richtung. Das all-
gemeine Streben der ersten oder Sommerwinde geht dahin ‚ das wärmere Ober-
flächenwasser nach der Küste zu treiben und es so über das kältere Wasser der
Labrador-Strömung zu lagern. Von den anderen oder Winterwinden kann man
sagen, dafs sie die entgegengesetzte Wirkung auf diese Gewässer ausüben, und
die schliefsliche Lage nach Vollendung eines Cyklus wird von dem Verhältnifs
der Geschwindigkeiten der Winde abhängen. Es wird nicht bestritten, dafs noch
andere Ursachen einen Einfluß auf das Ergebnifs ausüben, oder dals die physi-
kalischen Eigenschaften der Gewässer mit ins Spiel kommen, nämlich das Ver-
hältnifs ihrer Temperaturen, Dichtigkeiten u. s. w., aber es wird behauptet, dafs
nach einem genügenden Abstrich für diese anderen mitwirkenden Kräfte die
Winde in erster Linie die Ursache der täglichen und jahreszeitlichen Aenderungen
sind, die in der Lage dieser Grenze auftreten.
Während diese Verschiebungen sich gegenseitig ausgleichen können, und
die daraus hervorgehende Lage von Jahr zu Jahr dieselbe bleiben kann, darf
man voraussetzen, daß möglicherweise für eine Reihe von Jahren ein Uebermafs
nach der einen oder anderen Richtung hin auftritt, so dafs dadurch die Grenze
weit von ihrer mittleren Lage in der einen oder anderen Richtung verschoben
wird und so die wahre Lage der Hauptmasse der einen oder der anderen
Strömung verdeckt wird.
Der untere Theil.
Man sollte erwarten, dal hierbei nur die allgemeinen Ursachen, die in
den Meeren Strömungen erzeugen und verändern, einen Wechsel in der Geschwindig-
keit oder in der Richtung hervorbringen würden. Aber es ist kein Zweifel, dafs
die summirende Einwirkung lang andauernder Triebkräfte, die vorher beschrieben
wurden, wenn sie in jedem Falle in einem Gewinn bestehen, schliefslich in der
einen oder anderen Hinsicht sich fühlbar machen werden, und die Wirkung davon
wird sich in einer Verlagerung der Hauptmasse der Strömung zeigen. Wenn
diese Aenderungen auftreten, entgehen sie doch infolge ihrer Beschaffenheit
der Entdeckung, ausgenommen, wenn die Mittel vieler Beobachtungen genommen
und sorgfältig untersucht werden, sobald eine Aenderung in der Lage der Resul-
tirenden. offenbar geworden ist. Der Gegensatz zwischen dem oberen und unteren
Theil der Strömung zeigt sich in dem anscheinend nachgiebigeren Charakter des
oberen Theiles im Vergleich zum unteren; der obere wird durch verhältnifs-
mäfsig schnelle Wechsel in der Lage bezeichnet, der untere durch viel langsamere
Bewegungen. .
Die 50° F- (10° C-) Linie zeigt sehr klar die Aenderungen an, die in den
Beziehungen der beiden Strömungen auftreten. Während der Zeit, wo wir mit
dieser Untersuchung beschäftigt waren, ähnelte ihre vorherrschende Form der
eines umgekehrten S, wobei der untere Theil des umgekehrten Buchstabens den
Haupttheil oder den unteren Theil des Golfstromes darstellte. Weder die 40° F-
(4,5° C-) Linie, noch die 60° F- (15,5° C-) Linie würden irgend welche bedeutenden
Abweichungen unter irgend einer der Bedingungen aufweisen, die während des
Verlaufs unserer Untersuchungen herrschten, wodurch allem Anscheine nach an-
gezeigt wird, dafs sie gewöhnlich vollständig innerhalb der Grenzen der Haupt-
theile ihrer betreffenden Strömungen liegen.
Eine Untersuchung der im Jahre 1891 erhaltenen Temperaturschnitte
zeigte, dafs die allgemeinen Beziehungen der Strömungen dieselben geblieben
waren, aber es wurde bemerkt, dafs während des gröfseren Theiles der Zeit die
Krümmung des unteren Theiles der‘ 50° F- (10° C-) Linie die Kante der Festlands-
fläche berührte, indem sie sie an verschiedenen Orten, von der Tiefe von
70 Faden (128 m) an bis zu der von 120 Faden (220m), vollständig deckte.
Das hatte sich auch im Jahre 1890 ereignet, aber damals wurde es mehr für
Zufall als für etwas Anderes gehalten.
Ein Vergleich der Schnitte der drei Jahre machte die Thatsache offenbar,
dafs während der Periode eine fortschreitende Bewegung nach dem Ufer hin
stattgefunden. hatte. Im Jahre 1889 berührte der untere Theil der Kurve an
keinem Punkte innerhalb des untersuchten Gebietes die Kante der Festlandfläche.
Im Jahre 1890 berührte dieser Theil der Kurve die Festlandfläche bei der Block-
Insel sowohl, wie seewärts von: der Nantucket-Insel in dem letzten Theil der
Ann, d. Hydr. ete., 1895, Heft X.