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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 23 (1895)

van Bebber: Das Sturmwarnungswesen an der deutschen Küste, 
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weniger belangreichen telegraphischen Verbindungen der Azoren und Bermuden 
mit dem Festlande sind durchgeführt worden. 
2. Wenn auch die europäische Wettertelegraphie im grofßsen Ganzen, trotz 
der zeitweisen unvermeidlichen Rückschläge, immer mehr an Ausbreitung und 
Popularität gewinnt und das Bedürfnifs des Publikums nach Wettervorhersagen 
und insbesondere nach Sturmwarnungen sich immer mehr steigert, so ist doch 
das allseitige Bestreben der Centralstellen, in kürzester Zeit nach den Beob- 
achtungen im Vollbesitze des Depeschenmaterials zu sein, keineswegs erreicht 
worden, wenn dieses auch ohne vermehrten Geldaufwand und ohne gröfsere 
Belastung des Telegraphen verhältnilsmäfsig leicht zu erreichen ist. Eine solche 
Beschleunigung der Depeschen wäre zu erzielen durch Einführung des Circuit- 
Systems, welches sich in den Vereinigten Staaten vollkommen bewährt hat. Zu 
diesem Zweck müften die telegraphischen Leitungen der meteorologischen 
Stationen und Centralanstalten kurz nach der Beobachtung direkt in Verbindung 
gesetzt werden und die Abgabe der Telegramme in ununterbrochener im voraus 
bestimmter Reihenfolge geschehen. Bei zweckmälfiger Einrichtung könnte man 
schon in höchstens 1!/2 Stunden nach der Beobachtung im Vollbesitze des ganzen 
wettertelegraphischen Materials aus Europa sein. 
Während in den Vereinigten Staaten durch das Cireuit-System durch- 
schnittlich schon 1 Stunde 16 Minuten nach der Beobachtung sämmtliche Tele- 
gramme in Washington und auszugsweise in allen gröfseren Städten des Landes, 
wo Stationen des Signal-Office sich befinden, aufgenommen und registrirt sind 
und 1 Stunde 40 Minuten nach der Beobachtung die ersten Berichte des Signal- 
Office ausgegeben werden, wobei gleichzeitig an den gröfseren Telegraphen- 
stationen und in den gröfseren Städten Wetterkarten und tabellarische Uebersichten 
der Witterung öffentlich ausgestellt werden, gelangen an der deutschen Seewarte 
erst nach vier bis fünf Stunden nach der Beobachtung die Hafentelegramme 
und Wetterberichte zur Versendung, und auch die auf dem wettertelegraphischen 
Material begründeten Sturmwarnungen erleiden ebenfalls eine sehr erhebliche 
Verspätung. ') 
Bei Gelegenheit der vorjährigen Versammlung des internationalen meteoro- 
logischen Komites wurde dieser Vorschlag des Circuit-Systems wieder eingebracht, 
und hoffen wir, daß dasselbe verwirklicht werde. Vorbedingung ist, dafs für die 
Wettertelegraphie die Beobachtungen nach Ortszeit wegfallen und dafür Simultan- 
zeit eingeführt wird. Bisher hat man sich allerdings in Deutschland nicht ent- 
schließen können, dieselbe Ortszeit für die Beobachtungstermine einzurichten, 
Bemerkenswerth ist es, dafs in neuester Zeit das Reichs-Marine-Amt die 
Beschleunigung und ausgiebigere Verwerthung der am Abend ausgegebenen 
Sturmwarnungs - Depeschen in die Wege geleitet hat. Hierdurch wird die 
Wirksamkeit des Abenddienstes an der Seewarte nicht unerheblich gefördert 
werden. 
Sehr wünschenswerth wäre es, wenn den Instituten neben allen Vortheilen 
bei Benutzung des Telegraphen eigene Geldmittel zur Verfügung gestellt würden, 
so dafs eine freiere Auswahl der Stationen und des Materials ermöglicht wäre. 
Eine Einigung zwischen den einzelnen Instituten dürfte nicht schwierig sein. 
3. Um ein gegründetes Urtheil über den wahrscheinlichen Witterunugs- 
verlauf abgeben zu können, ist es vor Allem, insbesondere aber im Interesse des 
Sturmwarnungswesens nothwendig, mit Sicherheit die Aenderungen und die 
Aenderungstendenz des Wetters in letztverflossener Zeit zu kennen. Dieses ist 
aber in einem Zeitintervall von 24 Stunden in vielen Fällen nicht möglich, und 
daher wurden in den meisten Staaten der Nachmittagsdienst und nachher an 
der deutschen Seewarte auch noch ein Abenddienst eingeführt, welch letzterer nur 
den Interessen des Sturmwarnungswesens dient. 
Indessen kommt es noch sehr häufig vor, dafs die Küste in der Zwischen- 
zeit von Stürmen überrascht wird, welche von der Centralstelle nicht rechtzeitig 
vorher signalisirt werden können. Sehr wirkungsvoll würde die von Buys- 
Ballot zuerst vorgeschlagene Einrichtung der „Telemeteorographie“ sein, welche 
darauf hinzielt, eine ständige direkte telegraphische Verbindung zwischen den 
1) Ein Bericht über den Wetterdienst an der Seewarte wird demnächst in dieser Zeitschrift 
veröffentlicht werden. 
Ann. d. Hydr. ete.. 1895. Heft IX.
	        
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