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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 23 (1895)

v. Bezold: Ueber Gewitterbildung und labiles Gleichgewicht der Atmosphäre. 319 
In der jährlichen Periode schliefsen sie sich jener der Cyklonen im 
Allgemeinen an. 
Endlich sind sie an den Küsten häufiger als im Binnenlande. | 
Ganz entgegengesetzt verhalten sich die Wärmegewitter, wenigstens 
sofern sie zu typischer Entwickelung kommen. Sie entstehen, wenn bei 
schwacher Luftbewegung und geringer Bewölkung kräftige Insolation eine 
starke Erwärmung der untersten Lufischicht bewirkt. Ihre tägliche und jährliche 
Periode schließt sich dementsprechend eng an jene Temperatur an, sie sind eine 
specielle Eigenthümlichkeit der warmen Tages- und Jahreszeit. 
Sie entwickeln sich vorzugsweise am Rande von flachen Depressions- 
gebieten. Wenn sie vielfach als Begleiter von Theildepressionen erscheinen, 
so bleibt es doch immer noch fraglich, ob man sie als Folgeerscheinungen 
solcher Theildepressionen auffassen soll, oder ob sie vielmehr dem Uebergangs- 
gebiet zwischen jenen Depressionen und den benachbarten Anticyklonen 
angehören. 
Jedenfalls darf man es. als feststehend betrachten, dafs vorgeschobene 
Zungen barometrischer Maxima sowie Sättel hohen Druckes zwischen zwei 
Depressionsgebieten die Entstehung von Wärmegewittern ganz besonders 
begünstigen. 
Nach dem Ausbruche entwickeln sich übrigens auch in den Wärme- 
gewittern einzelne Wirbel mit wesentlich vertikaler Axe und kommen über- 
haupt alle Uebergänge zwischen der einen und der anderen Art von Ge- 
wittern vor. Es könnte deshalb scheinen, als ob eine scharfe Unterscheidung 
zwischen beiden Gruppen nur von untergeordneter Bedeutung wäre. 
Dies ist aber keineswegs der Fall, denn die oben angeführten charakte- 
ristischen Merkmale, vor Allem die Verschiedenheit in der täglichen Periode, 
deuten unzweifelhaft darauf hin, dafs in den beiderlei Gruppen wesentlich ver- 
schiedene Ursachen schliefslich ähnliche Erscheinungen im Gefolge haben... 
Eine gemeinsame Eigenthümlichkeit aller Gewitter ist das Vorhandensein 
eines sehr starken, aufsteigenden Luftstromes. . 
Die elektrischen Erscheinungen, die man sonst wohl als das eigentliche 
Charakteristikum betrachtet, sind wahrscheinlich nur sekundärer Natur. 
Die aufserordentliche Stärke dieses aufsteigenden Stromes verräth sich 
vor Allem durch die große Dichtigkeit — Schwärze — sowie durch die enorme 
Mächtigkeit der Gewitterwolken, die in manchen Fällen bis auf mehrere 
Kilometer anwächst. 
Solche Wolken können nur existiren, wenn ein gewaltiger aufsteigender 
Strom große Mengen kondensirten Dampfes, d. h. grofse Wassermassen, längere 
Zeit hindurch am Herabfallen hindert. | 
Auch die Hagelbildung läfst sich nur dadurch erklären, dafs tropfbar flüssiges 
Wasser in Höhen getragen wird, in denen sehr niedrige Temperaturen herrschen. 
Ueberdies ist es wahrscheinlich, dafs in den gröfsten Höhen alle Ge- 
witter von Hagelbildung oder wenigstens von Graupelbildung begleitet sind, 
denn die grofsen Tropfen, welche für die Gewitterregen charakteristisch sind, 
lassen sich nur durch die Annahme erklären, dafs sie ursprünglich Graupel- 
oder Hagelkörner waren, die erst beim Eintritt in die tieferen Schichten der 
Atmosphäre geschmolzen sind. 
Auch die erhebliche Abkühlung, welche meist kurz nach dem Ausbruche 
des Gewitters eintritt, spricht zu Gunsten dieser Annahme, 
Ein solcher mächtiger aufsteigender Luftstrom kann wesentlich durch 
zweierlei Ursachen hervorgerufen werden: 
Erstens durch die Auslösung labilen Gleichgewichts in der Atmosphäre 
und zweitens durch anderwärts bereits eingeleitete Bewegungs- Erscheinungen 
d. h. als Folge der allgemeinen Cirkulation. . 
Labiles Gleichgewicht scheint die Ursache aller Wärmegewitter zu Sein, 
Die Wirbelgewitter hingegen dürften ihre Entstehung denselben Ursachen 
verdanken, durch welche die Cyklonen überhaupt zu Stande kommen, also 
wenigstens theilweise der allgemeinen Cirkulation. HLabiles Gleichgewicht in 
der Atmosphäre kann aber auf dreierlei Weise entstehen: 
Erstens durch Ueberhitzung der untersten Luftschicht, wie schon Reye 
nachgewiesen hat. — Zweitens durch starke Abkühlung der oberen Schichten,
	        
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