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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Mai 1895.
Unter den erstgenannten kommen wiederholt Fälle vor, welche ungezwungen
darauf deuten, dal die Faktoren, welche die Aenderung der Fortpflanzungs-
geschwindigkeit des Schalles mit der Höhe bestimmen, während der Versuche
varlirt haben, und dadurch der nach den nicht gleichzeitigen Beobachtungen
gezeichneten Grenze für die Hörweiten eine minder regelmäfsige Form gegeben
haben. Beobachtungen dieser Art bestätigen die Schlüsse rücksichtlich der
Aenderung der Hörweite in kurzen Zeiträumen, welche ich in der zweiten Mit-
theilung !) aus den Temperaturbeobachtungen auf Färder in verschiedenen Höhen
gezogen hatte.
Die in Amerika gemachten Beobachtungen über die als normal angesehenen
Hörweiten und Schallstärken einer Berechnung nach den von mir aufgestellten
Formeln zu unterwerfen, läfst sich nicht thun, da die nöthigen Bestimmungs-
stücke, die Aenderungen der Temperatur, der Feuchtigkeit und der Wind-
geschwindigkeit mit der Höhe, nicht beobachtet worden sind. Es finden sich
öfters Temperatur, Barometerstand und Windstärke nahe an der Meeresfläche
angegeben, aber die Größe dieser Elemente in der Höhe ist nicht bestimmt
worden, aufser mehr sporadisch in einigen wenigen Fällen. Auch findet man die
Höhe des Schallgebers nicht angegeben, wenn dieser eine Signalpfeife an Bord
eines Dampfschiffes war, ebensowenig die Höhe des Ohrs.
In den Abschnitten von Prof. Henry’s Abhandlungen, in welchen es ver-
sucht worden ist, eine Erklärung der beobachteten Erscheinungen zu geben,
ist der Aenderung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe (von Prof. Stokes schon
im Jahre 1856 hervorgehoben) eine überwiegende Bedeutung zugeschrieben worden.
Die Aenderung der Temperatur (und Feuchtigkeit) mit der Höhe, erwähnt in den
Abhandlungen als theoretisch, von Prof. Reynolds als wirksamer Faktor nach-
gewiesen, ist zur Erklärung der Phänomene nicht benutzt worden.
In der Mehrzahl der Fälle mit „abnormalen“ Hörweiten zum Luvard des
Schallgebers ist die Wahrscheinlichkeit eines oberen Luftstroms dargethan, mit
einer Richtung entgegengesetzt der Richtung des Windes an der Erdoberfläche.
Ehe ich weiter gehe, wird es zweckmälßig sein, das Folgende aus den
allgemeinen Endschlüssen des Prof. Henry anzuführen.”)
1. Die Hörbarkeit des Schalles in einer gewissen Entfernung (der Zustand
der Atmosphäre als konstant vorausgesetzt) beruht auf dem Charakter des
Schalles. Die Hörweite ist abhängig von der Höhe, der Stärke und der Quantität
des Tones ....
2. Die Hörbarkeit des Schalles ist abhängig von dem Zustand der
Atmosphäre. Eine sehr günstige Bedingung für die Fortpflanzung des Schalles
ist ganz ruhige Luft mit überall gleichförmiger Dichtigkeit und Temperatur.
Dies ist erwiesen durch die Beobachtungen Parry’s und anderer arktischen
Reisenden, wiewohl man in diesem Falle unzweifelhaft eine wirksame und mit-
wirkende Ursache in der Abwärtsbrechung des Schalles hat, welche von der
niedrigen Temperatur der untersten Luftlagen herrührt, wie zuerst von Prof.
Reynolds nachgewiesen. Die Luft ist indessen selten von gleichförmiger
Dichtigkeit, sondern gewöhnlich von lokalen Strömungen durchkreuzt, welche
von der Berührung mit ungleich erwärmten Theilen der Erdoberfläche entstehen,
und als Folge der Brechungen und Spiegelungen, welche die Schallwelle beim
Durchgang durch ein solches Medium erleidet, wird sie aufwärts gebrochen und
geht für das Ohr in einem geringeren Abstand verloren.
3. Die wirksamste Ursache aber zum Verlust der Hörbarkeit ist die
Wirkung des Windes, Als Regel wird ein Schall in einem längeren Abstand
gehört, wenn er mit dem Winde geht, als wenn er gegen den Wind geht. Diese
Wirkung, welche in Uebereinstimmung mit der allgemeinen Erfahrung steht,
rührt nicht von einem Zuwachs der Geschwindigkeit der Schallwelle in einer
Richtung her und einer Verminderung in der anderen Richtung durch die
Bewegung des Windes, jedenfalls geschieht dies nur in einem .unmerklichen
Grade. Denn da sich der Schall mit einer Geschwindigkeit von etwa 750 miles
in der Stunde bewegt, würde ein Wind mit 7'/2 miles Geschwindigkeit in der
Stunde die Geschwindigkeit nur um ein Procent derselben vermehren oder ver-
‘) Diese Annalen, 1893, S. 249.
3 1.6, S. 556.