Ballonfahrten in die Region der Cirruswolken,
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schlug die Richtung nach WNW, später nach NW ein und behielt die letztere
bis zu seiner Landung am nächsten Tage, nach fast 19stündiger Fahrt, in Jütland,
Um gleichzeitige Aufzeichnungen aus grofser Höhe zu erhalten, liefs Prof.
Assmann am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang, als der „Phönix“ in der
Nähe von Lübeck schwebte, um 3" 40" den „Cirrus“ auf, dessen Registrirung
auf das Vorhandensein von Tageslicht angewiesen war.
Der Ballon war mit Leuchtgas vollständig gefüllt. Der Apparat, mit
Uhrwerk und Aspirator, wurde unter dem Netz aufgehängt, an seem Korb
waren Tafeln angebracht, die in deutscher und polnischer Sprache dem Finder
eine Belohnung von 50 Mk. zusicherten, falls der Registrirapparat uneröffnet ab-
geliefert werde. Leider schlang sich, als der „Cirrus“ nach Durchschneiden der
Halteleine emporschofe, das Aspiratorsäckchen um die den Greifanker tragende
Schnur, die zum Zerreifsen und Entleeren des Ballons im Moment seiner Landung
jestimmt war. Dadurch kam der nach langen Vorarbeiten konstruirte Aspirator
aufser Thätigkeit, so dafs auch bei dieser Fahrt die Temperaturangaben von
Sonnenstrahlung beeinflulst sind; dennoch hat das Thermometer in ca 16 000 m
Höhe die immerhin ganz erkleckliche Kälte von — 53° C aufgezeichnet.
Der Ballon wandte sich, mit gewaltiger Geschwindigkeit aufsteigend, zu-
nächst wie der „Phönix“ nach WNW und NW. Aber schon nach 7 Minuten
änderte er seine Richtung, indem er nach SW abschwenkte, nach weiteren
5 Minuten bog er noch weiter nach links ab und kehrte nun, sichtlich schon,in
sehr großer Höhe schwebend, vollständig zurück, so dafs er, 25 Minuten nach
dem Aufstiege, den Ballonplatz nahezu wieder kreuzte; von da ab setzte er, mit
sichtlich zunehmender Geschwindigkeit, seine Fahrt nach SO fort. Um 4" 25” war er
eben noch mittels eines guten Krimstechers erkennbar. Gegen !/23 Uhr nachmittags
kam er, wie gesagt, etwa 1000 km südöstlich von Berlin zur Erde nieder, hat
also 10 Stunden lang eine mittlere Geschwindigkeit von 100 km per Stunde oder
28 m in der Sekunde gehabt.
Das dem nahezu unversehrt gebliebenen Apparate entnommene, erst nach
zehn Tagen entwickelte Photogramm lief in tadelloser Schärfe Folgendes erkennen:
Zeit
3h 40m
45m
530m
55m
om
au
‚om
‚5m
20m
25m
30m
Luftdruck
nm
764
550
440
340
350
>00
‚60
125
10
95
85
|
Höhe in
40
> 800
4 600
5 600
3.000
10 600
12 150
13 800
14 650
15 600
16 325
Geschwindig-
keit des
Aufstiegs
m pp. £
9,2
6,0
6,7
8,0
a7
5,2
5
2,8
3,2
94
Temperatur
— {
—15
FR
mn
AR
47
—50
—53
__50
T’emperatur-
abnahme
pro "100 m
0,37°
0,509
0,65°
0,42°
0,62°
0,529
0,24°
0,85°
0,32°
—.0,14°
Die hier angegebenen wie alle weiter unten folgenden Höhen sind stets
wahre Seehöhen mit Berücksichtigung der Temperatur und deren vertikaler
Vertheilung — im Gegensatz zu den Franzosen, welche (Hermite im „Agrophile“‘)
immer die rohen, viel zu grofsen Höhen angeben. Die rohe Höhe betrug bei
den Aufstiegen des „Cirrus“ am 7. Juli und 6. September 17 750 bezw. 20 400 m,
bei der Hochfahrt des „Phönix‘ 9600 m.
Nach der vertikalen Temperaturabnahme zu Sschliefsen, dürften _ die
Temperatur-Aufzeichnungen bis 12000 m hinauf, infolge der natürlichen Ven-
silation durch das rasche Aufsteigen, ziemlich genau der Wahrheit entsprechen,
darüber hinaus aber wegen der fehlenden Aspiration das Thermometer etwas zu
hohe Temperaturen geliefert haben.
Leider bricht um 4* 30” die Registrirung des Luftdruckes ab, weil man
auf Barometerstände unter 85 mm nicht gerechnet hatte. Die Temperaturkurve
reicht noch bis 10*a; ein längeres Schweben des „Cirrus“ war ebenfalls aufser-
halb der Erwartung,