‘30
Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Mai 1895.
Schlimmer war der Verlauf einer Hachfahrt von drei bekannten französischen
Luftschiffern am 15. April 1875 mit dem Ballon „Zenith“, obwohl dieselben einen
Apparat für Sauerstoff-Athmung mit hatten, der 1862 noch unbekannt war, Als
sie bald nach 1”p eine Höhe von 6950 m (roh) erreicht hatten, fühlten sie sich
noch wohl, jedoch schwach; sobald sie Sauerstoff athmeten, fühlten sie sich ge-
kräftigt; sie scheinen es aber wenig gethan zu haben, Der Ballon hatte aufgehört
zu steigen; sie beschlossen jedoch, noch höher vorzudringen und warfen Ballast
aus; nun verlor Tissandier die Besinnung; erst um 2* 18" erwachte er auf den
Zuruf von Croc&-Spinelli: der Ballon falle schnell, er möge Ballast auswerfen.
Er gehorchte mechanisch, im selben Augenblick aber warf Croc6-Spinelli den
Aspirator über Bord, der 40 kg wog, worauf der Ballon natürlich in starkes
Steigen gerieth. Tissandier schrieb noch einige unzusammenhängende Wörter
in sein Buch, dann fiel er wieder in Schlaf für etwa eine Stunde. Als er er-
wachte, fiel der Ballon mit einer fürchterlichen Geschwindigkeit; es war kein
Ballast mehr vorhanden, und seine beiden Gefährten, Sivel und Croc€&-Spinelli,
waren erstickt; aus Mund und Nase floß ihnen Blut. Nur die Kaltblütigkeit,
mit welcher Tissandier unmittelbar vor der Berührung des Erdbodens den Ballon
durch Abschneiden des Ankers erleichterte und ihn dann beim Lander
aufriß, rettete ihn vor zermalmendem Stofße. In seiner Mittheilung an die
englische Zeitschrift „Nature“ (Band 11, Seite 495) schreibt W. de Fonvielle
den Tod der beiden Luftschiffer ausdrücklich dem verhängnifsvollen Hinauswerfen
des Aspirators zu.!) Dieser war behufs Bestimmung des Kohlensäuregehalts der
Luft in grofsen Höhen mitgenommen worden und ist später südwestlich von Paris
aufgefunden worden. |
Solche Erfahrungen sind es gewesen, die zuerst die Idee nahe gelegt
haben, unbemannte Luftballons mit selbstregistrirenden Apparaten zur Erforschung
der höchsten Regionen der Atmosphäre zu entsenden. Ueber die ersten Versuche
Jieser Art in Frankreich haben wir auf Seite 322 des Jahrgangs 1893 dieser
Annalen berichtet. Seitdem sind solche Versuche auch in Deutschland von Prof.
Dr. Assmann und dem deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt, und
zwar zweimal mit bedeutendem Erfolg ausgeführt worden. Der 250 cbm grofse
Ballon „Cirrus“ ist ohne grofse Beschädigung der Registrirapparate einmal von
Berlin an die bosnisch-serbische Grenze bei Zwornik, ein anderes Mal von Berlin
bis in die Nähe von Vilna in Westrufßfsland geflogen und hat dabei, nach den Auf-
zeichnungen des Barographen, Höhen über 16 000 und 18 000 m erreicht, in die
wohl sicher nie ein Mensch gelangen wird. Freilich ist jedesmal das "Chermo-
meter in Stücke gegangen, und auch der Barograph bedurfte einer Reparatur;
aber das sind Kleinigkeiten gegenüber den wichtigen schon gewonnenen und
noch in Aussicht stehenden Ergebnissen.
Der „Cirrus“ ist aus einfacher gefirnifster Seide gefertigt und wiegt mit
einem leichten Netze etwa 42 kg. Der Registrirapparat, in welchem auf einer
sich drehenden Trommel durch einen Spalt hindurch ununterbrochen ein Alkohol-
thermometer und der Hebel eines Barographen photographirt werden, wiegt
infolge ausgiebiger Anwendung von Aluminium nur 2,6 kg. KEinen wesentlichen
Theil dieses Apparates bildet ein Aspirator, der einen beständigen Strom un-
beeinflufster Luft am Gefäße des Thermometers vorbeisaugt. Die Aspiration
wird durch ein Exhaustor-Scheibenpaar bewirkt, das mittels eines abrollenden
Stahldrahtes in schnelle Umdrehung versetzt wird, an dem ein Ballastsäckchen
von 500 g Gewicht hängt. Beim ersten Versuch am 11. Mai 1894 zerrils der
Ballon durch einen Zufall schon beim Aufsteigen und kam nach 7 Minuten
wieder zur Erde; immerhin hatte schon dieser Versuch gezeigt, dafs der Apparat
gut funktionirte und beim Landen fast unbeschädigt blieb.
Am 7. Juli fand ein zweiter Aufstieg statt, nachdem noch allerhand Ver-
besserungen vorgenommen waren. Am Abend des 6. Juli, 6'/2* p, war der Ballon
„Phönix“ mit den Herren Berson und Baschin aufgestiegen. Der „Phönix“
1) Da die grofsen Ballastsäcke bei den neueren deutschen Ballonunternehmungen je 25 bis
38 kg wogen und nicht selten zu zweien auf einmal abgeschnitten worden sind, so waren jene 40 kg
für einen so grofsen Ballon wie der „Zenith“ noch keine übermäfsige Erleichterung, Aber der
„Zenith“ war eben schon sehr hoch, und Sivel und Croce-Spinelli hatten aus unbekannten
Gründen schon vorher die regelmäfsige Sauerstoff-Athmung aufgegeben, wie Tissandier ausdrücklich
mittheilt.