Haltermann: Beschreibung einiger Reisen von Chile nach Europa.
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Beschreibung einiger während der zweiten Hälfte des Jahres 1893
ausgeführter Reisen von Chile nach Europa.
Von HERM. HALTERMANN, Assistenten der Seewarte.
Um die Mitte des Monats August 1893 traten verschiedene schnellsegelnde
Schiffe, die das meteorologische Tagebuch der Seewarte führen, von den Salpeter-
häfen Chiles aus die Heimreise an. Da deren Verlauf zu lehrreichen Vergleichungen
Anlafs bietet, werden darüber hier einige nähere Angaben gegeben. Am 11. Juli
verließ das von Kapt. Gahde- geführte Vollschiff „Arethusa“ den Hafen von
Tocopilla, am 13. Juli that dasselbe das Schiff „Dorade“, Kapt. Andresen, am
14. Juli ging der Viermaster „Euterpe“, Kapt. Krause, von Caleta Buena aus
in See, am. 15. Juli von Pisagua aus das von Kapt. Schmidt geführte Schiff
„Preufsen“, und ebenfalls am 15. Juli trat der Viermaster „Placilla“, Kapt. Hilgen-
dorf, von Iquique aus die Heimreise an. In der Nähe der Küste wurden alle
diese Schiffe, wie es ja gewöhnlich der Fall ist, einige Zeit durch Stille und
Mallung aufgehalten. Am günstigsten trafen es hier die zuletzt erwähnten beiden
Mitsegler. Ein rascherer Fortschritt konnte erst erzielt werden bei einem am
19. Juli durchkommenden Westwinde. Als dieser am Mittag des 20. Juli endete,
stand „Arethusa“ in 23,8° S-Br und 75,1° W-Lg, „Dorade‘“ in 24,3° S-Br und
75,2° W-Lg, „Euterpe“ in 21,4° S-Br und 73,5° W-Lg, „Preufsen“ in 23,8° S-Br
and 75,1° W-Lg und „Placilla“ in 24° S-Br und 75,7° W-Lg. „Preußen“ und
„Arethusa“ befanden sich in Sicht voneinander, und es zeigte sich schon damals,
dafs jenes Schiff diesem an Segelfähigkeit überlegen war. Sehr wahrscheinlich war
dies eine Folge der durch die verschieden lange Liegezeit im Hafen der West-
küste verursachte, mehr oder minder grofse Unreinheit des eisernen Schiffsbodens,
und ist diese Thatsache in der Beurtheilung dieser Reisen wohl in Betracht
zu ziehen. Zwischen Ende der Ausreise und Antritt der Heimreise lagen für
„Arethusa‘ 48, für „Dorade‘“ 43, für „Euterpe“ 47, für „Preufsen“ nur 22 und
für „Placilla“ gar nur 12 Tage. Auf den Westwind folgte ein mehrere Tage
wehender beständiger Südostwind, der Passat, bei dem sich ein ganz befriedigender
Fortschritt erzielen lief und bei welchem der Luftdruck bis auf 770 mm stieg.
Als dieser Stand erreicht worden war, endete der Passat, indem der Wind bis
zum leisen Zuge abnahm und sich durch Süd nach SW veränderte. Die polare
Passatgrenze wurde von „Arethusa“ in 26° S-Br und 80,1° W-Lg, wie von „Dorade‘‘
in 26,3° S-Br und 80,2° W-Lg, „Preufßsen“ in 26,2° S-Br und 82,5° W-Lg und
„Placilla“ in 26,2° S-Br und 82,8° W-Lg am 28. Juli und von „Euterpe“ in
25° S-Br und 81° W-Lg am 24. Juli angetroffen. „Dorade‘“ und „Arethusa“, wie
auch „Preufsen“ und „Placilla“, befanden sich damals in Sicht voneinander, ein
Vorkommen, das sich für diese beiden letzten Mitsegler im ferneren Verlaufe der
Reise noch mehrfach wiederholte.
Südlich vom Passatgebiete lief der schwache Wind, ohne dafs dabei Stille
beobachtet wurde, nach SW und wurde dann wieder frischer. Der anfangs noch
unter dem Einflusse des von den Schiffen kurz vorher verlassenen Hochdruck-
gebietes stehende Wind wurde nordwestlich, als rasch abnehmender Luftdruck
die Annäherung eines Niederdruckgebietes von SW her anzeigte. Als das Baro-
meter am 26. Juli einen tiefsten Stand von 760 mm erreicht hatte, erfolgte bei
allen Schiffen ein plötzliches Umspringen des kräftigen Windes von westlicher
nach südöstlicher Richtung. Da fast alle Schiffe in ihrem Tagebuch ziemlich genau
die Zeit angeben, wann dies geschah, so läfst sich aus dem Zeitunterschiede und
der dazu gehörigen Entfernung die Schnelligkeit und Richtung der Fortbewegung
des Niederdruckgebietes angenähert berechnen. Die Windveränderung erfolgte
bei „Placilla“ in 30,4° S-Br und 83,8° W-Lg um 9%/4*a, bei „Dorade“ in 29,8° S-Br
and 82,2° W-Lg um 1* p, bei „Arethusa“ in 29,2° S-Br und 81,4° W-Lg um 4% 4 p
und bei „Euterpe“ in 28,2° S-Br' und 82,2° W-Lg um 6*p des 26. Juli. Bei
„Preufsen“, welche sich am Mittage dieses Tages in 30,5° S-Br und 83,8° W-Lg
befand, scheint das Umlaufen des Windes etwa um 11"a geschehen zu sein, doch
findet sich darüber keine genauere Angabe. Die beiden Schiffsorte; an welchen
der Wind bei „Placilla“ und „Euterpe“ umsprang, peilten etwa NOzN voneinander,
und ihre Entfernung betrug 160 Sm. Der Zeitunterschied war gleich 8'/4 Stunden,
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