Davis: Die Winde des Indischen Oceans.
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Gradienten; diese sind die Vertreter des verschwundenen äquatorialen Stillen-
gürtels, welcher nun durch den Gürtel niedrigen Luftdruckes in Südasien ersetzt ist.
In diesem Zusammenhange möge bemerkt sein, dafs die Entwickelung des
terrestrischen Monsuns in der südlichen Halbkugel in manchen Hinsichten anders
vor sich geht, als die des kontinentalen Monsuns in der nördlichen. Das Vor-
schreiten des Stillengürtels vom Aequator zu seiner südlichsten Lage, wo der-
selbe im Januar oder Februar sich findet, vollzieht sich durch eine stetige
Wanderung, und der einströmende Passat folgt einfach diesem wandernden Gürtel
hoher Temperatur und niedrigen Druckes mit der Ablenkung, die der Halbkugel,
in der er sich jeweils befindet, zukommt. Wenn aber die Sonne nordwärts sich
bewegt, und der Stillengürtel ihr nachzieht, verliert sich diese Regelmäfsigkeit
in der Wanderung; denn wenn die Mallungen zum Aequator zurückgekehrt sind im
April, nimmt die Temperatur über Nordindien so schnell zu, dals der Sitz der
höchsten Temperatur und des niedrigsten Luftdruckes auf einmal zur Breite
25° Nord übertragen wird, und dann machen die Winde nicht mehr Halt am
Aequator, sondern strömen weiter zu diesem neuen Ziele. Die frühere Lage der
Mallungen ist dann nur durch einen Gürtel schwächerer Winde und gelegentlicher
Windstillen längs dem Aequator bezeichnet. Fünf oder sechs Monate später wird
der Gürtel niedrigen Druckes von seiner abnormen Stellung in Nordindien nach
dem eigentlichen äquatorialen Gürtel zurückverlegt, und dann stellt sich seine
Südwärtswanderung wieder ein.*)
Die Ablenkungen dieses Monsuns, nachdem er Indien erreicht hat, sind
ebenso merkbar, wie die seines Vorgängers sechs Monate früher, Er bläst
fast von West nach Ost durch Südindien, während er auf der Gangesebene
als Südostwind auftritt. Es ist daher in Vorderindien besser, ihn nach Blanford
als „Sommermonsun“ und nicht als Südwestmonsun zu bezeichnen,
Angesichts aller dieser Thatsachen darf man wohl sagen, dafs diejenigen
Darstellungen der Monsune des Indischen Oceans unvollständig sind, welche den
terrestrischen Monsun der südlichen Halbkugel auslassen, Wenngleich weniger
berühmt, weniger in die Augen fallend und von geringerer praktischer Bedeutung
als die kontinentalen Monsune, verdient er doch die sorgfältige Beachtung von
Seiten des Meteorologen.
Zum Schlusse mögen einige Bemerkungen über die Strömungen des
Indischen Oceans gestattet sein. Es ist interessant, daß schon zur Zeit von
Dampier’s Reisen das Verhältnis der Strömungen um Indien herum zu den
Monsunen erkannt wurde. Er sagt:
„An der Küste von Indien, nördlich von der Linie, setzt der Strom mit
dem Monsun, aber er kentert später, zuweilen um drei oder mehr Wochen und
ändert sich dann nicht, bevor der entgegengesetzte Monsun sich festgesetzt hat.
Zum Beispiel, der Westmonsun setzt ein in der Mitte des April, der Strom aber
kentert erst Anfang Mai; ebenso setzt der Ostmonsun etwa in der Mitte des
September ein, und der Strom kentert erst im Oktober.“ („Voyages“, Vol. 2,
part II, 107.)
Das Verhältnifs von Ursache und Wirkung zwischen Winden und Ober-
flächenströmen zeigt sich hier klar ausgesprochen vor zweihundert Jahren.
1) In dieser Darstellung ist ein wesentlicher Zug übergangen, welchen wir an der Hand des
Segelhandbuclhs der Seewarte, Seite 38 bis 39, nachtragen möchten,
Jm Frühling wird der Nordostmonsun über der Bai von Bengalen sowohl als über dem
Arabischen Meere gleichzeitig von Nord. und Süd her durch westliche Winde eingeengt. Doch haben
diese Winde im Norden zunächst weder an Stärke noch insbesondere an Regenreichthum den
Charakter des eigentlichen Südwestmonsuns, dessen „Ausbruch“ (bursting) erst bedeutend später, im
Mai und Juni, stattfindet, Dieses „bursting of the monsoon“, welches von den Einwohnern des
Landes mit grofser Spannung erwartet wird und bei welchem, gewöhnlich durch einige Stürme ein-
geleitet, die Regenzeit für die Westküsten und den gröfseren Theil des übrigen Indiens und der
anliegenden Meere eintritt, findet dann statt, wenn die letzten Reste des barometrischen Maximums,
welches im April gewöhnlich etwa unter 15° N-Br auf beiden Meeren liegt, geschwunden sind, und
eine ununterbrochene Druckabnahme vom südlichen bis zum nördlichen Wendekreise sich eingestellt
hat. Bis dahin hatte dieser höhere Luftdruck die Vereinigung der südwestlichen Winde im Norden
und im Süden — des „kontinentalen“ und des „terrestrischen“ Mousuns im Sinne von Davis —
verhindert; nun vollziebt sich dieselbe unter starker Ausbildung der Intensität gerade des mittleren
Theiles, Dieses „Ausbrechen des Monsuns“ setzt im Süden, an der Westküste von Ceylon und Travancore
einerseits und Tenasserim andererseits ein und pflanzt sich in zwei bis drei Wochen bis zum Wende-
kreise fort — entgegengesetzt dem ersten Eintreten der südwestlichen Winde im Vorfrühling, welches
im nördlichen Theile des Gebiets entschieden von Nord nach Süd fortschreitet, D. Red.