Wislicenus: Die Küste von Annam.
95
Tourane wird alle 14 Tage von den Dampfern der Messageries Maritimes
der Linie „Saigon—Haiphong und zurück“ angelaufen. Aufserdem wird der Hafen
von Dampfern besucht, die unmittelbaren Handelsverkehr mit Hong-kong her-
stellen. Die Stadt ist mit dem Inneren durch viele Flußsarme verbunden, be-
sonders mit den Marmorfelsen, mit Kuang-Nam, der Hauptstadt der gleichnamigen
Landschaft und mit einer Kohlengegend, Tourane ist der Sitz eines französischen
Geschäftsträgers., ;
Kohlen. In geringer Entfernung von Tourane, in Nang-Son, sind sehr be-
deutende Kohlenwerke. Die Kohle wird in unmittelbarer Nähe der Flulsarme
gewonnen. Die Proben, die man mit den Kohlen gemacht hat, scheinen der Kohle
sowohl allein wie vermischt mit anderen Kohlen gute Abnahme zu versprechen;
wenn die Kohlengewinnung einen regelmäfsigen und lebhaften Gang annımmt, so
wird Tourane, der natürliche Verschiffungshafen, dabei an Wohlstand gewinnen.
Witterung — Winde. Während des Nordostmonsuns vom November ‘bis
zum März ist die Luft immer frisch und das Weiter gesund; man mufs sich nur
nicht der Sonne zu sehr aussetzen, was man auch im übrigen Theile des Jahres
nicht darf.
Im Februar sind Stürme aus NNO und NNW häufig; sie werden durch
Wolken angezeigt, die sich in den „Wolkenpafs“ (Col des nuages) und auf die
ganze nördliche Gebirgskette herabsenken. Diese Erscheinung hat einige Aehn-
Hchkeit mit dem Decken des Tischtuchs auf dem Tafelberge am Kap der guten
Hoffnung.
Im April und im Mai ist die Hitze erdrückend, es herrscht Windstille;
besonders der Aufenthalt auf dem Ankerplaize unter dem Schutze der hohen Halb-
insel Tien-Tcha ist dann unangenehm und ungesund. Man mufs dann, um die
leichte Briese, die zuweilen die Luft bewegt, auszunutzen, weiter draußen, etwa
nordwärts von der Halbinsel, auf der das Nordfort steht, ankern.
Vom Monat Juni an setzen die Land- und Seewinde ein; es ist sehr ‘heiß,
aber man hat mehr Luft.
Es regnet reichlich während des ganzen Jahres, besonders beim Eintritt
des Nordostmonsuns; die Jahre sind selten, wo im September oder ‚Oktober nicht
mindestens ein Taifun die Küste heimsucht.
Frischwasser. Mit Rücksicht auf die Gesundheit der Mannschaft darf man
das Frischwasser nicht trinken lassen, das man ziemlich bequem ‚in den kleinen
Buchten der Halbinsel oder im Flusse zum Waschen der Wäsche oder zu ähn-
lichem Gebrauche nehmen kann.
Die Eisenküste (Cöte de Fer). Die Küste vom Kap Khoumai (Choumay)
bis zur Insel Hon-tseu wird von den Annamiten die Eisenküste genannt. Sie
zeigt weite Flächen von sandigem Strand; Landmarken sind aufßser .den Berg-
gipfeln des Inneren nur wenige vorhanden, und die Bergspitzen sind ‚auch oft vom
Nebel verdeckt. Diese Strecke bietet nur unsichere Ankerplätze im Nordost-
monsun und keinen einzigen Zufluchtsort gegen Taifune. Im Südwestmonsun
dagegen kann man fast überall ankern. Unter Wasser liegen in diesem Theile
wenige Gefahren.
Gebirge. Die Nordspitze der Bucht von Tourane ist felsig, abschüssig und
schliefst sich an zwei Gipfel an, deren westlicher, der „Südgipfel der Thore“
(Sommet Sud des Portes) 1200 m hoch ist; von SO oder von NW gesehen erscheint
er kegelförmig. Zwischen beiden Gipfeln liegt ein Pafß, der in 470 m Höhe be-
festigt ist. Er wird „Eiserne Thore“ (Portes de Fer) genannt; die Strafse von
Tourane nach Hug führt über den Pafs.
Die Küste bleibt felsig bis auf 6 Sm westwärts von Kulao Han; dort liegt
die Mündung der Lagune von Phu-Ya, in deren Nähe eine Pagode steht. Weiter-
hin ‘ist die Küste niedrig und mit Dünen eingefalst, Im Inneren sieht man eine
hohe Gebirgskette, die ohne Unterbrechung westwärts bis zur Ebene von Hu
läuft. Bei klarem Wetter bietet diese Kette gute Unterscheidungsmarken. Hinter
dem Südgipfel der Thore erkennt man zwei Zwillingsgipfel, die „Eselsohren“
(Oreilles d’Ane) von 1210 m Höhe; dann den „Spitzkopf“ (le Pointu) von 1470 m
Höhe, der südwärts vom Anukerplatz von Khoumai liegt und der nach Norden hin
eine sehr vorspringende Kuppe vorschiebt, worauf ein kleiner Buckel zu sehen ist.